Die Berufshaftpflichtversicherung ist das Sicherheitsnetz für viele Selbstständige und Dienstleister – von Versicherungsvermittlern über Anwälte bis hin zu Finanzberatern. Doch was passiert im Schadensfall? Eine zentrale Rolle spielt dabei das sogenannte Versicherungsfallprinzip. Klingt abstrakt – ist aber entscheidend dafür, ob und wann ein Versicherer leistet. In diesem Beitrag erklären wir, was dahintersteckt und worauf Versicherungsnehmer achten sollten.

Was ist ein „Versicherungsfall“?

Ein Versicherungsfall liegt dann vor, wenn sich ein im Vertrag definiertes Risiko verwirklicht. Der Versicherer leistet also nur, wenn ein solcher Fall – auch „Trigger“ genannt – eintritt. Welches Ereignis konkret als Versicherungsfall gilt, hängt vom gewählten Versicherungsfallprinzip ab. Zwei Varianten sind dabei besonders relevant:

1. Verstoßprinzip (auch „Occurrence“ genannt)

Beim Verstoßprinzip zählt der Zeitpunkt des schädigenden Verhaltens – also wann der Fehler begangen wurde, unabhängig davon, wann der Schaden eintritt oder gemeldet wird.

Beispiel: Ein Versicherungsmakler berät seinen Kunden fehlerhaft beim Abschluss einer Gebäudeversicherung. Jahre später kommt es zu einem Brand – und die Deckung ist unzureichend. Versicherungsschutz besteht nur, wenn der Fehler (Verstoß) während der Laufzeit der Berufshaftpflicht begangen wurde.

Vorteil: Der Versicherungsnehmer kann sich auch Jahre nach Vertragsende noch auf den Schutz berufen – sofern der Fehler während der Vertragslaufzeit passiert ist.
Nachteil: Ohne ausreichend lange Nachdeckungsfristen besteht das Risiko, dass spätere Schäden nicht mehr gedeckt sind.

2. Claims-made-Prinzip

Hier ist entscheidend, wann der Anspruch gestellt wird – nicht wann der Fehler passierte. Der Versicherungsfall ist also die Geltendmachung des Anspruchs durch den Geschädigten.

Beispiel: Der gleiche Fall wie oben – aber bei einer Claims-made-Deckung muss der Schaden gemeldet werden, während der Versicherungsschutz besteht. Ist der Vertrag zu diesem Zeitpunkt abgelaufen, greift die Versicherung nicht, es sei denn, es wurde eine Nachmeldefrist vereinbart.

Vorteil: Klare zeitliche Abgrenzung der Haftung (unbegrenzte Vordeckung).
Nachteil: Ohne unbegrenzte Nachmeldefrist kann es zu Deckungslücken kommen.

Unterlassungsschäden – die stille Gefahr

Besonders tückisch sind sogenannte Unterlassungsschäden: Hier geht es nicht um aktives Fehlverhalten, sondern darum, dass eine gebotene Handlung unterlassen wurde (z. B. eine Versicherung nicht rechtzeitig beantragt). Der Verstoß gilt in solchen Fällen als an dem Tag begangen, an dem die Handlung spätestens hätte erfolgen müssen, um den Schaden zu verhindern.

Folge: Bei späten Schäden – etwa viele Jahre nach der versäumten Handlung – besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn der Vertrag zu diesem Zeitpunkt noch galt oder spezielle Nachdeckungsvereinbarungen getroffen wurden.

Was bedeutet das für Versicherungsnehmer?

  1. Nachdeckungsfristen prüfen:
    Eine zu kurze Nachmeldefrist kann bei Spätschäden zum Verlust des Versicherungsschutzes führen. Ideal: Eine unbegrenzte Nachmeldefrist.
  2. Versichererwechsel genau prüfen:
    Unterschiedliche Versicherungsfallprinzipien oder Deckungslücken können dazu führen, dass weder der alte noch der neue Versicherer leisten muss.
  3. Beratung einholen:
    Wer komplexe Risiken absichern muss – wie Versicherungsvermittler oder Anwälte – sollte auf eine spezialisierte Beratung setzen. Standardlösungen reichen oft nicht aus.

Fazit: Beide Prinzipien – wenn richtig gestaltet – bieten Schutz

Ob Verstoß- oder Claims-made-Prinzip: Beide Ansätze können solide Absicherung bieten – wenn sie fachgerecht angepasst werden. Wichtig ist, dass der Versicherungsschutz zeitlich lückenlos gestaltet ist und auch Unterlassungsschäden abdeckt. Nur so lässt sich das Risiko von Regressforderungen, Haftungsfällen oder unversicherten Spätschäden wirksam reduzieren.

Tipp für Versicherungsnehmer:
Lassen Sie Ihren bestehenden Versicherungsschutz regelmäßig überprüfen. Gerade bei langen Beratungszyklen – wie in der Finanz- und Versicherungsvermittlung – ist ein lückenloser, gut definierter Schutz unerlässlich.

Wiener Neustadt, 12.08.2025

Bildnachweis: envato

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