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Am 23. April 2025 fand im Rahmen der Höher Akademie das Webinar „OGH-Entscheidungen zu Kreditbearbeitungsgebühren – Was nun? Was tun?“ statt. Im Mittelpunkt standen zwei aktuelle Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (OGH), die die Zulässigkeit von Kreditbearbeitungsgebühren einschränken. Die Teilnehmer erhielten praxisnahe Einblicke aus Sicht eines Rechtsanwalts, der Standesvertretung und der Berufshaftpflichtversicherung.

OGH-Urteile und ihre Bedeutung

Dr. Raphael Toman (Brandl Talos Rechtsanwält:innen GmbH) erläuterte, dass Kreditbearbeitungsgebühren in bestimmten Fällen als intransparent und somit unzulässig eingestuft wurden. Kreditvermittler sind grundsätzlich nicht verpflichtet, frühere Kunden nachträglich zu informieren, sofern keine gesonderte vertragliche Nachbetreuungspflicht vereinbart wurde. Eine Rückforderung von Vermittlungsprovisionen durch die Bank ist vom Einzelfall abhängig. Dr. Toman warnte ausdrücklich vor der Weitergabe von Kundendaten an Prozessfinanzierer, da dies sowohl gegen Datenschutzbestimmungen als auch gegen das Bankgeheimnis verstoßen könnte.

Verbraucherkreditgesetz „neu“ und Standesvertretung

Mag. Hannes Dolzer von der Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband Finanzdienstleister stellte die Rolle des Fachverbands dar. Dieser informiert seine Mitglieder laufend und unterstützt sie juristisch. Dolzer berichtete außerdem über die geplante Umsetzung der neuen Verbraucherkreditrichtlinie der EU in österreichisches Recht. Das neue Verbraucherkreditgesetz soll bis Ende 2025 beschlossen und ab November 2026 gültig sein. Es wird unter anderem die anteilige Rückerstattung von Kreditkosten bei vorzeitiger Tilgung regeln und neue Anforderungen an die Branche stellen.

Berufshaftpflichtversicherung und Haftungsfragen

René Hompasz (Höher Insurance Services GmbH) klärte über die Unterschiede zwischen beratender und gutachterlicher Tätigkeit auf. Ein Kreditvermittler handelt im Auftrag des Kunden und ist nicht objektiv wie ein Gutachter. Die gewerbliche Vermögensberatung ist nicht den §§ 26–31a Maklergesetz unterstellt, weshalb keine automatische Nachbetreuungspflicht besteht. Hompasz betonte, dass die Berufshaftpflichtversicherung nur bei tatsächlichen Pflichtverletzungen Schutz bietet und keine generelle Entschädigungseinrichtung für Kunden darstellt. Er riet zu größter Sorgfalt in der täglichen Arbeit, um Haftungsfälle zu vermeiden. Es wurde hervorgehoben, dass in den Musterbedingungen für Vermögensschäden (AVBV 1951) die Rückforderung von Provisionen, Honoraren und ähnlichen Ansprüchen ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen ist. Die am Markt üblichen Versicherungsbedingungen basieren weitgehend auf den AVBV 1951 und enthalten nahezu ausnahmslos vergleichbare Ausschlüsse hinsichtlich der Provisionsrückforderung.

Resümee

Das kostenlos angebotene Webinar verzeichnete rund 600 Teilnehmer. Ein besonderer Dank gilt der Rechtsanwaltskanzlei Brandl Talos Rechtsanwält:innen GmbH sowie der Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband Finanzdienstleister, die im Rahmen der Höher Akademie die kostenlose Durchführung ermöglicht haben.

Die Resonanz der Teilnehmer war ausgesprochen positiv. Sowohl die inhaltliche Gestaltung des Webinars als auch die fachliche Kompetenz und der praxisnahe Vortragsstil der Referenten wurden überdurchschnittlich gut bewertet. Auch die technische Umsetzung fand große Anerkennung. Insgesamt bestätigen die hervorragenden Rückmeldungen eindrucksvoll den Erfolg der Veranstaltung.

Die nächsten Weiterbildungstermine der Höher Akademie finden Sie hier: https://www.hoeher.info/akademie/termine/.

Die Aufzeichnung des Webinars „OGH-Entscheidungen zu Kreditbearbeitungsgebühren – Was nun? Was tun?“ ist verfügbar unter: https://www.meine-weiterbildung.at/kurs/ced6a993.

Wiener Neustadt, 06.05.2025

Am 13. März 2025 hatte die Höher Akademie das Vergnügen, Georg Winter von der GrECo International Holding AG als Referenten zu begrüßen. Sein Vortrag zum Thema „Strategien für moderne Risikosteuerung und Unversicherbarkeit“ behandelte zentrale Fragen, die Unternehmen in einer zunehmend komplexen Risikolandschaft bewegen.

Die Veranstaltung startete mit einer Analyse aktueller Herausforderungen. Anschaulich wurde aufgezeigt, wie globale Krisen, Umweltrisiken, gesellschaftliche Veränderungen und die digitale Transformation zu einer Ausweitung und Veränderung von Risiken führen, die oft nicht mehr oder nur schwer versicherbar sind. Besonders eindrücklich wurden die wachsende Schere der Unversicherbarkeit und deren Konsequenzen für Unternehmen dargestellt.

Ein Schwerpunkt des Vortrags lag auf der Bedeutung einer ausgewogenen Risikofinanzierung. Verschiedene Ansätze zur Risikosteuerung wurden vorgestellt, darunter Vermeidung, Verminderung und Risikotransfer. Besonderes Augenmerk wurde auf die zunehmende Relevanz der Risikoeigentragung mittels sogenannter Captive-Versicherungen gelegt. Captives sind unternehmenseigene Versicherungsgesellschaften, die speziell zur Abdeckung von Risiken aus der Konzernfamilie gegründet werden und somit als effektive Risikomanagementinstrumente strategische Vorteile bieten.

Georg Winter erläuterte die Wirkungsweise und Vorzüge von Captives, darunter Kosteneinsparungen bei Gesamtrisikokosten und im Risikotransfer, die Möglichkeit, langfristig Kapital aufzubauen sowie Schutz vor Schwankungen auf dem Versicherungsmarkt. Er stellte anschaulich verschiedene Formen von Captives vor, wie Single Parent, Multi Parent, Protected Cell und Virtual Captives sowie die Unterschiede zwischen Erstversicherungs- und Rückversicherungs-Captives.

Ein weiterer interessanter Aspekt waren die finanziellen Vorteile von Captives im Vergleich zur internen Selbstversicherung (z.B. über Cash-Flow), insbesondere in bereits etablierten Domizilen mit günstigen regulatorischen Rahmenbedingungen. Diese erlauben steuerbegünstigte Rückstellungen, die den Kapitalaufbau zur Risikotragung unterstützen.  Gleichzeitig wurden die regulatorischen Herausforderungen in Österreich kritisch beleuchtet. Captives sind hierzulande steuerrechtlichen Nachteilen und der Handhabung des komplexen Aufsichtsrechts ausgesetzt, was viele österreichische Unternehmen veranlasst, ihre Captives im Ausland zu gründen.

Zum Abschluss machte Georg Winter deutlich, dass Österreich attraktive Rahmenbedingungen schaffen sollte, um Captives als strategisches Instrument zur Risikosteuerung für heimische Unternehmen zugänglicher zu machen. Denn letztendlich stärken Captives die Resilienz von Unternehmen und helfen, in einer zunehmend unsicheren Welt nachhaltiger zu agieren.

Q&A

Am Ende des Vortrags von Georg Winter blieb noch Zeit für eine ausführliche Q&A-Session. Hier die interessantesten Fragen und Antworten zum Nachlesen:

Versicherbarkeit von Industrierisiken

Antwort: Das Ziel sollte es stets sein, die Gesamtrisikokosten (Total Costs of Risks) zu optimieren. Bei der Betrachtung dieser werden alle Faktoren berücksichtigt, wie z.B. die Kosten für Risikobewältigung durch Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen, die Kosten für den Risikotransfer und die Kosten für selbst getragene Schäden. Diese Faktoren werden gegenübergestellt, um den effizientesten Weg einer balancierten Risikofinanzierung zu berechnen. Es hängt also von all diesen Faktoren ab, welche Strategie am sinnvollsten ist.

Aus Sicht der Versicherung und der Nachhaltigkeit ist jeder Schaden, der nicht eintritt, positiv zu bewerten. Vor allem auch zur Vermeidung von in der Regel nicht versicherbaren Folgeschäden, wie Reputations- und Kundenverlust sind präventive Maßnahmen essenziell. Daher ist es wichtig, Maßnahmen zur Risikovermeidung und Risikoverminderung zu priorisieren.

Wenn ein Risiko zu adäquaten Risikoprämien auf dem Versicherungsmarkt transferiert werden kann, ist das natürlich auch eine begrüßenswerte Strategie im Rahmen der Risikobewältigung. Zusammengefasst lässt sich sagen, es ist also nicht nur sinnvoll, Risiken zu versichern, sondern auch ein umfassendes Risikomanagement zu betreiben, um Schäden zu verhindern, die Gesamtrisikokosten zu optimieren und eine nachhaltige Risikofinanzierung zu gewährleisten.

Antwort: Recyclingunternehmen sind Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit und tragen wesentlich zur Kreislaufwirtschaft bei. Es zeichnet sich ein Trend ab, dass Versicherer das sogenannte „Green Underwriting“ fördern möchten, bei dem umweltfreundliche und nachhaltige Projekte und Branchen bevorzugt werden. Allerdings haben Recyclingunternehmen eine hohe Schadensanfälligkeit, was sich in den bisherigen Schadenerfahrungen widerspiegelt. Diese technischen Underwriting-Kriterien sind derzeit noch wichtiger als Nachhaltigkeitskriterien.

Die Kreislaufwirtschaft stellt natürlich nicht nur ein Risiko, sondern auch eine große Chance dar. Das Problem besteht jedoch darin, dass diese Chancen und Innovationen oft nicht genutzt werden können, wenn traditionelle Versicherungsanbieter keine passenden Lösungen zur Verfügung stellen. Hier kommen Captives ins Spiel, die als Brücke für diese grünen Transformationsrisiken dienen können. Captives ermöglichen es Unternehmen, ihre eigenen Versicherungsprogramme zu erstellen und so spezifische Risiken besser abzudecken.

Antwort: Das hängt vom Zeitpunkt und spezifischen Risiko ab. Es gibt unterschiedliche Tendenzen in den verschiedenen Versicherungssparten.

Besonders bei Naturgefahrenrisiken ist zu beobachten, dass wir nicht zu den Preisniveaus von vor fünf Jahren zurückkehren werden. Im Gegenteil, es ist zu erwarten, dass die Preise weiter steigen werden. Diese Entwicklung ist auf die steigende Häufigkeit und Schwere von Naturkatastrophen zurückzuführen, die zu höheren Schadenssummen führen. Rückversicherer müssen daher ihre Prämien anpassen, um die gestiegenen Risiken abzudecken. Dies führt dazu, dass der Rückversicherungsmarkt strikter agiert und höhere Anforderungen an die Erstversicherer stellt.

Allgemein lässt sich jedoch feststellen, dass die Kapitalausstattung des Rückversicherungsmarktes 2024 einen neuen Höchststand erreicht hat. Auch die Prognosen für 2025 sehen stabil aus. Dadurch können wir erwarten, dass in verschiedenen Sparten die Flexibilität wieder zunehmen wird.

Steuerliche und aufsichtsrechtliche Fragestellungen

Antwort: Prämienzahlungen an Captive-Versicherungen sind stets den Zahlungen an traditionelle Versicherungsunternehmen gleichgestellt. Mit wenigen Ausnahmen unterliegen Prämien grundsätzlich der Versicherungssteuer. Dies gilt auch für Prämien, die an Captive-Versicherungen gezahlt werden und zwar unabhängig davon, ob diese an eine Erstversicherungs-Captive oder über einen Fronting-Versicherer an eine Rückversicherungs-Captive fließen.

Ein wesentlicher Vorteil gegenüber der internen Selbstversicherung besteht darin, dass die vom Unternehmen gezahlten Prämien steuerlich, als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können.

Antwort: Ja, Captives sind in Österreich aufsichts- und steuerrechtlich analog Versicherungsunternehmen zu behandeln und unterliegen somit der Solvency II als übergeordneten europäischen Rechtsrahmen und dem Versicherungsaufsichtsgesetz auf nationaler Ebene. Es müssen also die Anforderungen der Solvency II an Finanzausstattung, Aufsichtsrecht, Berichte und Transparenz erfüllt werden.

Aktuell findet eine Überarbeitung der Solvency II Richtlinie statt, die insbesondere das Rahmenwerk für Proportionalität betrifft. Dieses zielt darauf ab, regulatorische Standards entsprechend der Größe und Komplexität von Versicherungsunternehmen anzuwenden. Es wird erwartet, dass die Proportionalität für „small and non-complex undertakings“ (SNCUs) verbessert wird. In die Kategorie der SNCUs könnten auch Captives bestimmter Größenordnungen fallen. Demnach wird erwartet, dass die Rahmenbedingungen für Captives in Europa verbessert werden.

In etablierten Captive Domizilen gibt es bereits Erleichterungen im Gründungsprozess, Aufsichtsrecht und Steuerrecht.

Anwendungsbereich

Antwort: Ursprünglich wurden Captives vor allem von großen multinationalen Unternehmen genutzt. Heute sind sie jedoch auch für mittelständische Unternehmen (KMUs) zugänglicher, insbesondere wenn diese über ein hohes Risikobewusstsein und die Kapazität verfügen, Risiken intern zu managen. Die Entscheidung, eine Captive zu gründen, hängt stark von der individuellen Risikosituation und den geschäftlichen Anforderungen des jeweiligen Unternehmens ab.

Antwort: Grundsätzlich können alle Versicherungssparten in eine Captive übertragen werden, einschließlich D&O-Versicherungen. Dies ist jedoch bisher nicht weit verbreitet und mit einigen Risiken verbunden.

Während Side B (Firmenenthaftung) und Side C Deckungen (Deckung der Gesellschaft selbst) weniger problematisch sind, gibt es vor allem zu Side A Deckungen, also der Deckung für natürlich versicherte Personen wie einzelne Vorstandsmitglieder und Führungskräfte, immer wieder Diskussionen. Neben teilweisen rechtlichen Hürden in einzelnen Ländern, gibt es auch praktische Themen, die gegen eine Eigentragung sprechen, da insbesondere in Kontinentaleuropa bei einem Innenanspruch ein Interessenkonflikt entsteht: Das Unternehmen geht gegen einen Manager vor und die Captive als Tochterunternehmen soll die Verteidigung übernehmen? Dennoch gibt es Entwicklungen in Captive Domizilen, die nach und nach die Möglichkeit schaffen, A Deckungen in Captives aufzunehmen.

Allerdings werden D&O-Versicherungen in der Regel gut durch den traditionellen Versicherungsmarkt abgedeckt. Dieser bietet oft umfassende und bewährte Lösungen für D&O-Risiken, sodass eine Captive in diesem Bereich möglicherweise weniger notwendig ist. Der Einschluss von D&O in eine Captive könnte sich vor allem für Unternehmen mit großen Deckungsstrecken lohnen.

Antwort: Ja, als Maklerunternehmen ist es möglich, eine Captive zu gründen, die speziell das Cyberrisiko der Kunden abdeckt.

Um dies zu erreichen, kann eine Protected Cell Company (PCC) in einem geeigneten Domizil gegründet werden. Dadurch wird die notwendige Infrastruktur für Klienten geschaffen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch eine Captive den aufsichtsrechtlichen Anforderungen unterliegt, wie sie für traditionelle Versicherungsunternehmen gelten. Dies umfasst die Einhaltung der Solvency II-Richtlinie, ausreichende Eigenmittel und die Aufsicht durch die zuständigen Behörden.

Antwort: Employee Benefits werden oft als eigene Captive Gesellschaft gegründet, um spezifische Risiken und Anforderungen besser abzudecken. Grundsätzlich gibt es keine besonderen Herausforderungen oder Anforderungen, die sich von anderen Captive-Gesellschaften unterscheiden.

Besonders in den USA sind Captives für Employee Benefits relevant, da viele Risiken nicht durch die Sozialversicherung abgedeckt werden. Aufgrund des hohen Prämienvolumens bieten sich hier viele Möglichkeiten zur Kostenreduktion und besseren Kontrolle über die Versicherungspläne an. Auch in Europa geht es darum, eine entsprechende Pooling-Lösung zu finden, um die Kosten der Employee Benefits zu optimieren und eine bessere Risikoverteilung zu erreichen. Zu berücksichtigen sind bei solchen Versicherungslösungen immer allfällige regionale gesetzliche Anforderungen, um beispielsweise steuerliche Belastungen für die versicherten Arbeitnehmer:innen bestmöglich zu vermeiden oder zu vermindern.

Antwort: Es gibt in etwa ein Dutzend österreichische Unternehmen, die eine Captive betreiben. Zu beachten ist, dass diese Unternehmen zwar ihre Konzernzentralen in Österreich haben, ihre Captive-Vehikel jedoch aufgrund attraktiverer Bedingungen in ausländischen Domizilen angesiedelt sind.

Antwort: Die Ansiedlung von mehr Captives in Österreich würde dem Staat zahlreiche Vorteile bringen. Erstens würde dies die Innovationskraft der heimischen Wirtschaft fördern, da Unternehmen ihre Risiken leichter selbst tragen und maßgeschneiderte Lösungen entwickeln könnten. Zweitens würde das Risikobewusstsein gestärkt, was zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beiträgt. Drittens würde die wirtschaftliche Stabilität erhöht, da Österreich als bedeutender Finanzplatz in Zentral- und Osteuropa gestärkt würde. Viertens würden Versicherer entlastet, da das Risiko für Schäden reduziert wird. Schließlich würde die optimierte Finanzierung durch die Sammlung und Analyse von risikobezogenen Daten ermöglicht. Insgesamt würde die Etablierung von Captives sowohl den Unternehmen als auch der gesamten Wirtschaft zugutekommen.

Wir stellen fest, dass das Interesse an Captives als effektives Risikomanagement Instrument groß ist. Aufgrund der ungünstigeren Rahmenbedingen hier, entscheiden sich heute Unternehmen ihre Captives im Ausland zu gründen. Das stärkt die Finanzplätze der Captive-Domizile – und nicht Österreich.

Operative Fragestellungen

Antwort: Captives sind auf langfristige Risikomanagementziele abgestimmte Instrumente. Daher ist es vor der Entscheidung zur Gründung einer Captive wichtig, eine sogenannte Machbarkeitsstudie durchzuführen. Im Rahmen dieser Studie wird unter anderem auch geprüft, ob und welche Rolle eine Captive bei bestehenden Lösungen einnehmen kann, zum Beispiel bei der Programmstrukturierung, bei Rückversicherungsplatzierungen etc. Das heißt, dieser Punkt ist einzelfallbezogen zu betrachten und mit dem Versicherer zu verhandeln. Schließlich ist die Implementierung einer Captive auch ein starkes Signal an den Versicherer, dass das Unternehmen ein hohes Risikobewusstsein hat – eine Win-Win Situation sozusagen.

Als Richtwert für die Dauer von der Machbarkeitsstudie bis zur Implementierung kann man 6-12 Monate in etablierten Domizilen annehmen. In Österreich oder Deutschland ist von einer mehrjährigen Vorlaufzeit auszugehen.

Antwort: Hier gibt es viel Flexibilität. Der Erstversicherer muss nicht zwingend einen Prozentsatz am Risiko selbst tragen, da auch reines Fronting möglich ist. Eine Captive kann sich proportional im Layer als Rückversicherer beteiligen oder auf Quarter Share Basis nach einem Grundselbstbehalt als Rückversicherer eingesetzt werden.

Im Captive Design Prozess, insbesondere in der Gründungsphase, ist es wichtig, genau festzulegen, wo der „Sweet Spot“ der Captive liegt. Dies bedeutet, dass man sorgfältig abwägen muss, welche Risiken und in welchem Umfang die Captive übernehmen soll, um eine optimale Risikoverteilung und Kosteneffizienz zu erreichen.

Antwort: Ja, es ist möglich, aus einer Captive Kapital für Risikominimierungsmaßnahmen zu entnehmen, wobei dies je nach Domizil unterschiedlich gehandhabt wird. Es ist wichtig zu vermeiden, dass Liquidität in der Captive geparkt wird und somit nicht mehr verwendet werden kann. Daher kann eine Captive grundsätzlich auch ein Darlehen an das Mutterunternehmen geben. Im Rahmen des gesamten Treasury-Managements kann der Cashflow der Captive zu einem gewissen Teil in das Gesamt-Cashflow-Management des Unternehmens eingebracht werden.

Es gibt bereits Fälle, in denen die Captive die Kosten der Risikominderung mitgetragen hat, um die Risikoverbesserung zu unterstützen. Dies zeigt, dass Captives flexibel eingesetzt werden können, um sowohl Versicherungsschutz zu bieten als auch aktiv zur Risikominimierung beizutragen. Zu berücksichtigen sind aber die Solvabilitätskapitalanforderungen, um jederzeit der versicherungsvertraglichen Leistungspflicht nachkommen zu können.

Antwort: Ja, für Verträge, die eine Captive zeichnet, gelten die gleichen Gesetze und Normen wie für traditionelle Versicherer. D. h. auch hier ist bei der Gestaltung der Deckung zu prüfen, ob diese gegen Regulatorien verstoßen – z. B. bei Verstoß gegen Verbot und Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften (§ 879 ABGB). Das kann bei Geldbußen wegen eines Vorsatzdeliktes durchaus der Fall sein. Auch Sanktions-Themen unterliegen den geografisch gültigen Regulatorien wie im traditionellen Versicherungsgeschäft.

Zudem müssen Captives den gleichen versicherungsmathematischen Vorgaben wie traditionelle Versicherer folgen. Wenn ein Risiko nicht versicherbar ist, weil nicht genügend Daten zur Modellierung vorliegen, wird es auch in einer Captive nicht so einfach versicherbar sein.

Der strategische Mehrwert einer Captive liegt darin, dass sie für Risiken eingesetzt werden kann, für die es auf dem konventionellen Versicherungsmarkt keine Lösungen gibt, die aber dennoch versicherungstechnisch recht gut kalkuliert werden können. Ein Beispiel hierfür sind non-physical damage business interruption (Betriebsunterbrechung ohne Sachschaden) oder Absatzrückgänge, für die es am Markt keine Versicherungslösungen gibt, die aber aufgrund vorhandener Daten modelliert werden können. Dies ist ein wesentlicher strategischer Punkt.

Antwort: Es ist entscheidend, die Deckung so zu gestalten, dass Kulanzzahlungen vermieden werden. Die Deckung sollte dort erfolgen, wo sie notwendig ist. Ansonsten sollten Risiken bewusst selbst getragen werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass bei fast allen Versicherungsprogrammen, die über Captives gezeichnet werden, keine vollständige Eigentragung über die Captive erfolgt, sondern Rückversicherungsinstrumente in verschiedensten Formen berücksichtigt werden. Zudem ist festzulegen, wer die Schäden freigibt – ob Erstversicherer als Frontingversicherer oder Captive Manager. Dies variiert von Fall zu Fall.

Antwort: Fakt ist, dass gesetzliche Bestimmungen zum Bereicherungsverbot auf Schadenleistungen über Captives genauso zur Anwendung kommen, wie bei traditionellen Versicherungen. In Europa ist das Bereicherungsverbot im Versicherungsvertrag ein grundlegendes Prinzip des Versicherungsrechts, das sicherstellen soll, dass Versicherungsnehmer durch Versicherungsleistungen nicht übermäßig bereichert werden sollen.

Zu den anderen Rechtsräumen lässt sich die Frage nicht pauschal beantworten, sondern ist vielmehr detailliert zu prüfen. So gibt es in den USA beispielsweise nach meinem Wissen vergleichbare Bestimmungen über verschiedene regulatorische Mechanismen, wie dem Indemnity Principle, das besagt, dass der Versicherungsnehmer nur für den tatsächlich entstandenen Schaden entschädigt werden soll und nicht übermäßig bereichert werden dürfte. Außerdem wird speziell in den USA das Versicherungsrecht hauptsächlich auf Ebene der Bundesstaaten geregelt. Sie sehen, das ist auf globaler Ebene betrachtet ein komplexes Thema, das im Einzelfall durch eine Rechtsanwaltskanzlei zu verifizieren ist.

Antwort: Captives sind üblicherweise für die Absicherung von Risiken der eigenen Konzernfamilie angedacht. Risikostreuung erfolgt in der Regel über die Anzahl der Standorte und die Kombination verschiedener Versicherungssparten.

Captives, die mehrere Einzelunternehmen einschließen, können ebenso der Risikostreuung dienen. Bei solchen Pooling Lösungen ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Schäden anderer Pool Mitglieder mitgetragen werden müssen, ohne Kontrolle über deren Risikoportfolio und -management zu haben.

Wiener Neustadt, 24.04.2025

Mit der Entscheidung 7 Ob 136/22h vom 25.01.2023 hat der Oberste Gerichtshof (OGH) klargestellt, dass ein Wiederholungstäterausschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Vertrauensschadenversicherung wirksam und rechtskräftig sein kann, selbst wenn die AGB nicht vom Versicherer selbst stammen. Dies wirft wichtige Fragen zur Auslegung und rechtlichen Einordnung solcher Vertragsklauseln auf.

Inhalt der Klage

Der Kläger, der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Österreich, hatte zugunsten seiner Mitglieder einen Vertrag über eine Vertrauensschadenversicherung mit den beiden Beklagten abgeschlossen. Ziel war es, Deckungslücken der gesetzlichen Pflichthaftpflichtversicherung in Fällen vorsätzlicher Schädigung zu schließen.

Ein Mitglied des Klägers, die Hausverwaltung einer GmbH, verursachte durch ihren Geschäftsführer einen Vermögensschaden, indem dieser anvertraute Verwaltungsguthaben missbrauchte. Der Kläger forderte von den Versicherern die Zahlung von 182 429 Euro, stieß jedoch auf Ablehnung. Die Beklagten beriefen sich auf den vertraglich vereinbarten Wiederholungstäterausschluss.

Vorbringen der Parteien

Kläger: Der Kläger argumentierte, dass der Schaden unter den Versicherungsschutz falle, da weder er noch die Hausverwaltung von den „Malversationen“ des Geschäftsführers gewusst hätten. Zudem sei der Wiederholungstäterausschluss unwirksam, da er gegen § 34a Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) verstoße. Der Kläger sah den Vertrag nicht nur zugunsten seiner Mitglieder, sondern auch zugunsten der geschädigten Eigentümergemeinschaften abgeschlossen.

Beklagte: Die Beklagten wandten ein, dass der Ausschluss ausdrücklich im Vertrag geregelt und wirksam sei. Sie wiesen darauf hin, dass der Kläger die Versicherung einzig im Interesse seiner Mitglieder abgeschlossen habe und diese somit die einzigen versicherten Parteien seien. Außerdem sei der Wiederholungstäterausschluss durch die Maklerin des Klägers in die Vertragsgestaltung eingebracht worden, weshalb Unklarheiten zu Lasten des Klägers gingen.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Erstgericht wies die Klage des Klägers ab. Es entschied, dass der Wiederholungstäterausschluss gemäß § 914 Allgemeine Gesetzbuch (ABGB) nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen sei. Da der Versicherungsvertrag eine Versicherung zugunsten der Mitglieder des Klägers darstellte, seien weder eigene Interessen des Klägers noch jene der geschädigten Dritten mitversichert. Zudem müsse das Wissen des Geschäftsführers der Hausverwaltung dieser selbst zugerechnet werden, weshalb der Risikoausschluss greife.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und entschied zugunsten des Klägers. Es argumentierte, dass der Wiederholungstäterausschluss nicht greife, da das Wissen des Geschäftsführers aufgrund einer Interessenkollision der Hausverwaltung nicht zugerechnet werden könne. Außerdem sei der Vertrag so auszulegen, dass die geschädigten Eigentümergemeinschaften als versicherte Personen anzusehen seien.

Entscheidung des OGH

Der OGH entschied zugunsten der Beklagten und stellte das Urteil des Erstgerichts, das die Klage abgewiesen hatte, wieder her. Die wesentlichen Begründungen lauteten:

Herkunft der AGB und individuelle Ausgestaltung 

Die AGB wurden von der Versicherungsmaklerin des Klägers erstellt und in die Verhandlungen eingebracht. Da den Beklagten Änderungsmöglichkeiten eingeräumt wurden, handelte es sich um einen individuell ausgehandelten Vertrag. Somit fanden die strengen Klauselkontrollmechanismen des § 915 ABGB keine Anwendung.

Wirksamkeit des Wiederholungstäterausschlusses 

Der Wiederholungstäterausschluss wurde als Risikoausschluss gewertet, da er den Versicherungsschutz von vornherein begrenzte. Diese Begrenzung sei weder von den Handlungen des Versicherungsnehmers abhängig noch unklar formuliert. Der OGH hob hervor, dass solche Risikoausschlüsse den Schutz des Versicherers legitim und rechtlich wirksam eingrenzen.

Zurechnung von Wissen 

Das Wissen des Geschäftsführers der geschädigten Hausverwaltung über seine eigenen Handlungen wurde dieser zugerechnet. Diese Zurechnung führte dazu, dass die Versicherer leistungsfrei waren.

Zusammenfassung und Praxistipp

Die Entscheidung des OGH verdeutlicht, dass AGB, die nicht vom Versicherer, sondern vom Versicherungsnehmer oder dessen Makler eingebracht werden, rechtlich als individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen betrachtet werden können. In solchen Fällen greift die Klauselkontrolle gemäß § 915 ABGB nicht. Diese Vorgehensweise birgt jedoch Risiken für den Versicherungsnehmer, da Unklarheiten zulasten des Verwenders gehen.

Praxistipp: Versicherungsnehmer und Versicherungsvermittler sollten sicherstellen, dass von ihnen eingebrachte AGB von einem spezialisierten Rechtsanwalt geprüft werden. Dies gilt besonders bei komplexen Verträgen wie Versicherungsverträgen. Eine fundierte rechtliche Prüfung kann potenzielle Streitigkeiten vermeiden und sicherstellen, dass die Vertragsbedingungen klar und wirksam sind.

Das Urteil im Volltext finden Sie hier: OGH 7 Ob 136/22h.

Wiener Neustadt, 07.01.2025

Bildnachweis: envato

Die Daten der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geben Einblicke in die Entwicklung von Betrugsfällen innerhalb der Versicherungsbranche. Betrug ist jedoch ein Phänomen, das in nahezu allen Branchen vorkommt. Der Abschluss einer Vertrauensschadenversicherung kann dabei helfen, finanzielle Schäden für betroffene Unternehmen erheblich zu reduzieren.

Unregelmäßigkeiten nach Personengruppen

Die Daten „Unregelmäßigkeiten im Sinne der Sammelverfügung vom 10. Dezember 2015“ zeigt einen Gesamtschaden von EUR 22 644 334 der sich auf folgende Personengruppen aufteilt:

  • Angestellter Außendienst: 14 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 6 827.
  • Gebundene Vermittler: 165 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 4 464 065.
  • Innendienst: 24 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 8 349 672.
  • Makler: 16 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 599 046.
  • Mehrfachvertreter: 1 Fall, Betrag nicht angegeben.
  • Produktakzessorische Versicherungsvermittler; 1 Fall, veruntreuter Betrag EUR 50.
  • Sonstige Vermittler: 9 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 9 224 674.

Die höchsten Schadenssummen werden dem Innendienst zugeschrieben, während die gebundenen Vermittler die meisten gemeldeten Fälle aufweisen.

Betrugsfälle ab EUR 50.000

Dieser Teil fokussiert sich auf besonders schwere Fälle mit Schadenssummen ab EUR 50 000 und zeigt einen Gesamtschaden von EUR 20 837 022 mit folgenden Personengruppen:

  • Gebundene Vermittler: 19 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 3 052 537.
  • Innendienst: 3 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 8 087 052.
  • Makler: 5 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 553 340.
  • Sonstige Vermittler: 1 Fall, veruntreuter Betrag EUR 9 144 093.

Bemerkenswert ist, dass ein sonstiger Vermittler mit nur einem Fall die höchste Schadenssummen verursacht hat, gefolgt vom Innendienst mit 3 Fällen und der zweithöchsten Schadenssumme.

Vermittlerstatus und Versicherungszweige

Die Daten zur Verteilung der Fälle nach Vermittlerstatus und Versicherungszweig zeigt:

  • Gebundene Vermittler, 50 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 4 028 168.
    • Lebensversicherung: 23 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 1 292 767.
    • Krankenversicherung: 7 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 444 030.
    • Schaden-/Unfallversicherung: 20 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 2 291 371.
  • Innendienst, 10 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 8 331 628.
    • Krankenversicherung: 2 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 70 843.
    • Schaden-/Unfallversicherung: 8 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 8 260 785.
  • Makler, 8 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 590 990.
    • Lebensversicherung: 7 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 528 021.
    • Schaden-/Unfallversicherung: 1 Fall, veruntreuter Betrag EUR 62 969.
  • Sonstige Vermittler, 4 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 9 221 275.
    • Krankenversicherung: 2 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 9 160 593.
    • Schaden-/Unfallversicherung: 2 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 60 682.

Die Schaden-/Unfallversicherung verzeichnet die höchsten Schadenssummen, besonders bei sonstigen Vermittlern und Innendienstmitarbeitern.

Tatmodalitäten und Versicherungszweige

Die Daten zu den Tatmodalitäten geben Aufschluss über die betrügerischen Methoden. Der Gesamtschaden beträgt EUR 22.172.061 und resultiert aus 72 Fällen. Besonders interessant sind dabei folgende Bereiche:

  • Fingierte Verträge:
    • 29 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 10 472 594.
    • Schaden-/Unfallversicherung: 9 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 8 896 254.
    • Lebensversicherung: 17 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 1 425 668.
  • Kundengelder für Nicht-Versicherungsgeschäfte:
    • 2 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 250 966.
  • Schadenmanipulation:
    • 11 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 315 048.
  • Sonstiges:
    • 23 Fälle, veruntreuter Betrag EUR 10 690 903.

Besonders fingierte Verträge und Sonstiges fallen durch höchste Schadenssummen auf, wobei der Schwerpunkt auf der Schaden-/Unfallversicherung liegt, diese machen 95 % des Gesamtschaden aus.

Maßnahmen gegen Betrug und Abfederung des finanziellen Schadens

Die BaFin-Daten zeigen, dass Betrugsfälle in der Versicherungsbranche signifikante finanzielle Auswirkungen haben. Der Fokus auf Innendienstmitarbeiter und fingierte Verträge zeigt klare Schwerpunkte, die gezielt adressiert werden sollten. Eine verstärkte Kontrolle der Schaden-/Unfallversicherung und ein verbessertes Monitoring von Vermittlern könnten zur Prävention solcher Fälle beitragen.

Unternehmen können zudem durch den Abschluss einer Vertrauensschadenversicherung finanzielle Schäden abfedern. Diese Versicherung deckt in der Regel Schäden ab, die durch die vorsätzliche oder betrügerische Handlung von Mitarbeitern, Vermittlern oder externen Personen entstehen. Dazu gehören etwa Unterschlagung, Diebstahl, Betrug oder Datenmanipulation.

Die BaFin-Daten zeigen, dass Betrugsfälle in der Versicherungsbranche signifikante finanzielle Auswirkungen haben.

Informationen zur Vertrauensschadenversicherung finden Sie hier: https://www.hoeher.info/hoeher-versicherungsprodukte/

Wr. Neustadt, 07.01.2025

Quellenhinweis: https://www.bafin.de/DE/PublikationenDaten/Statistiken/Erstversicherung/erstversicherung_artikel.html

Bildnachweis: envato

Am 13.06.2019 fällte das Landesgericht Klagenfurt ein Urteil, das die Haftung von Versicherungsmaklern bei der Vermittlung von Krankenversicherungsverträgen beleuchtet. Der Fall betraf die Frage, ob ein Versicherungsmakler für unvollständige Informationen über den Gesundheitszustand eines Versicherungsnehmers und daraus resultierende Deckungsausschlüsse haftet. Die Klage wurde abgewiesen, da keine Pflichtverletzung des Maklers festgestellt werden konnte.

Inhalt der Klage

Der Kläger, ein Arbeiter, forderte von der beklagten Versicherungsmaklergesellschaft Schadensersatz in Höhe von 3 963,47 Euro sowie die Feststellung einer Haftung für zukünftige Kosten, die durch Deckungsausschlüsse in seinem Krankenversicherungsvertrag entstehen. Hintergrund war die Ablehnung einer Kostenübernahme durch die Wiener Städtische Versicherung AG aufgrund nicht offengelegter Vorerkrankungen der Wirbelsäule.

Vorbringen der Parteien

Klageseite: Der Kläger argumentierte, der Versicherungsmakler habe es absichtlich unterlassen, relevante medizinische Unterlagen an den Versicherer weiterzuleiten, um eine höhere Prämie zu vermeiden. Zudem sei er falsch über die Deckung informiert worden.

Beklagtenseite: Die beklagte Partei wies darauf hin, dass der Makler eigenständig tätig war und keine Pflichtverletzung vorlag. Der Kläger habe keine relevanten Gesundheitsinformationen angegeben, weshalb keine Veranlassung bestand, diese zu überprüfen.

Vorbringen des Nebenintervenientin: Der Nebenintervenient, ein selbstständiger Versicherungsmakler und Sub-Makler der beklagten Versicherungsmaklerin, betonte, dass er aufgrund eines Kooperationsvertrags für diese tätig wurde. Er habe bei der Antragstellung alle Angaben des Klägers korrekt und nach bestem Wissen weitergeleitet. Es habe keinen Anlass gegeben, an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der Aussagen des Klägers zu zweifeln. Er bestritt entschieden, jemals eine verbindliche Zusage hinsichtlich der Kostenübernahme gemacht zu haben. Zudem stellte er klar, dass er nicht als Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei tätig war, sondern im Rahmen des Kooperationsvertrages handelte.

Entscheidung des Gerichtes

Das Gericht betonte, dass die Haftung nach § 1313a Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) maßgeblich davon abhängt, ob ein Gehilfe mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten tätig wird. Es stellte fest, dass der Nebenintervenient als ‚Sub-Makler‘ im Rahmen eines Kooperationsvertrages für die beklagte Versicherungsmaklerin tätig war und damit in den Risikobereich der beklagten Partei fiel.

Nach den Grundsätzen der Erfüllungsgehilfenhaftung haftet ein Geschäftsherr grundsätzlich für das Verhalten eines Gehilfen, auch wenn dieser selbstständig tätig ist, solange der Gehilfe in den Pflichtenkreis des Geschäftsherrn eingebunden ist. Das Gericht führte aus, dass diese Haftung jedoch voraussetzt, dass der Gehilfe eine Pflichtverletzung begeht. Im vorliegenden Fall konnte kein Verschulden des Nebenintervenienten festgestellt werden. Die Beweisaufnahme zeigte, dass der Nebenintervenient die Angaben des Klägers korrekt weitergeleitet hatte und keine rechtlichen Verpflichtungen bestanden, darüber hinausgehende Nachforschungen anzustellen. Ebenso war er nicht befugt, verbindliche Deckungszusagen zu erteilen.

Das Gericht hob hervor, dass die beklagte Partei nicht haftbar gemacht werden konnte, da die Anzeigepflicht gemäß § 16 Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) eindeutig beim Versicherungsnehmer liegt. Diese Anzeigepflicht verlangt, dass alle relevanten Umstände, die für die Übernahme der Versicherungsdeckung von Bedeutung sind, vollständig und wahrheitsgemäß angegeben werden. Der Kläger hatte diese Pflicht verletzt, indem er wesentliche Vorerkrankungen nicht angegeben hatte. Die Ablehnung der Kostenübernahme durch den Versicherer war daher ausschließlich auf diese Pflichtverletzung zurückzuführen.

Beweiswürdigung des Gerichtes

Das Gericht legte in seiner Beweiswürdigung dar, dass der Kläger weder glaubhaft nachweisen konnte, relevante medizinische Unterlagen bereits vor Vertragsabschluss übergeben zu haben, noch dass der Makler diese absichtlich zurückgehalten hätte. Der Makler wirkte glaubwürdig und hatte nachweislich keinen Anlass, die Angaben des Klägers anzuzweifeln.

Auch die Behauptung, der Makler habe eine Kostenübernahme für die Sonderklasse zugesagt, konnte nicht bestätigt werden. Vielmehr legte das Gericht dar, dass der Kläger in einer stressbedingten Situation die Aussagen des Maklers möglicherweise missverstanden haben könnte.

Die Beweisaufnahme zeigte, dass der Kläger selbst die Anzeigepflichten nicht erfüllt hatte und dass der Makler keine Verletzung seiner Beratungspflichten begangen hatte.

Zusammenfassung und Praxistipp

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der Anzeigepflicht durch Versicherungsnehmer und die eingeschränkte Nachforschungspflicht von Versicherungsmaklern (siehe dazu auch den Blog-Beitrag Besteht Nachforschungspflicht für Versicherungsvermittler?).

Für Versicherungsnehmer ist es entscheidend, alle Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß zu beantworten, um spätere Deckungsausschlüsse oder Vertragsänderungen zu vermeiden. Makler sollten klar dokumentieren, welche Informationen sie erhalten und weiterleiten, um Missverständnisse zu vermeiden.

Das Urteil wurde im Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes nicht veröffentlicht.

Wiener Neustadt, 18.03.2025

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Am 24.04.2020 entschied das Handelsgericht Wien über eine Klage im Zusammenhang mit einer Organhaftpflichtversicherung. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der Versicherer zur Deckung bestimmter Verteidigungskosten und Haftpflichtansprüche verpflichtet war. Die Entscheidung gewährt wertvolle Einblicke in die rechtliche Einordnung von Vertragsklauseln und Obliegenheiten, insbesondere im Hinblick auf Risikoausschlüsse und die Anzeigepflichten der Versicherungsnehmer.

Inhalt der Klage

Die klagende Partei, ein Geschäftsführer einer GmbH, forderte eine Zahlung von insgesamt 398 962,54 Euro sowie die Feststellung der Deckung aus einer Organhaftpflichtversicherung. Der Streit entstand aus zwei Ermittlungsverfahren, die sich auf vermeintliche Pflichtverletzungen in der Geschäftsführung bezogen. Der Kläger machte geltend, dass der Versicherungsvertrag umfassenden Deckungsschutz für solche Fälle bieten sollte.

Vorbringen der Parteien

Die klagende Partei argumentierte, dass die Versicherung für die Verteidigungskosten in Strafverfahren Deckung gewähren müsse, da diese Verfahren unter die Klauseln des Versicherungsvertrages fielen. Zudem wurde betont, dass der Versicherer Kenntnis aller relevanten Umstände gehabt habe und die Ablehnung der Deckung treuwidrig sei. Die Kombination aus „Claims-made“-Deckung und Ausschluss der Rückwärtsdeckung sei unüblich und benachteilige den Versicherungsnehmer.

Auf der anderen Seite bestritt die beklagte Partei, die Versicherung die Deckungspflicht und verwies auf verschiedene Risikoausschlüsse im Vertrag, darunter Vorsatzausschlüsse und Verpflichtungen zur Anzeigepflicht. Sie machte geltend, dass der Kläger wesentliche gefahrenerhöhende Umstände nicht offengelegt habe.

Die Nebenintervenientin, die als Versicherungsagentin der Beklagten auftrat, argumentierte, dass sie keine eigenständige Verantwortung trage, da sie im Auftrag der Beklagten handelte. Sie bestritt jegliche Aufklärungspflichten gegenüber der klagenden Partei und verwies darauf, dass der Kläger als Versicherungsmakler selbst über die relevanten Versicherungsbedingungen informiert sein müsse. Daraus folge, dass auch keine erweiterten Aufklärungspflichten bestanden.

Weiterhin wurde festgestellt, dass der Kläger trotz der Kenntnis aus einem großen Anlegerprozess gegenüber der Nebenintervenientin falsche Angaben gemacht hatte, etwa durch das Verschweigen von Kundenbeschwerden und Vorwürfen des pflichtwidrigen Organhandelns. Diese Versäumnisse sowie der Vorsatz, Beweislagen zu manipulieren, wurden als gravierende Obliegenheitsverletzungen gewertet. Die Nebenintervenientin argumentierte, dass bei wahrheitsgemäßen Angaben keine D&O-Versicherung vermittelt worden wäre. Sie sah dies als entscheidenden Grund für die Ablehnung der Deckung durch die Beklagte.

Entscheidung des Gerichtes

Das Handelsgericht Wien wies die Klage ab. Es wurde festgestellt, dass die Klauseln zur Vorsatzausschlussregelung wirksam und eindeutig formuliert waren. Dabei wurde nach § 914 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) der erklärte Wille der Parteien zur Vertragsauslegung herangezogen, der in diesem Fall die Gültigkeit der Ausschlussklauseln untermauerte.

Zusätzlich stellte das Gericht fest, dass der Kläger vorvertraglich nicht ausreichend über gefahrenerhöhende Umstände informiert hatte. Diese Verletzung der Anzeigepflichten führte zur Leistungsfreiheit der Versicherung. Die Kombination aus „Claims-made“-Deckung und dem Ausschluss der Rückwärtsdeckung wurde als üblich und nicht überraschend eingestuft.

Hinsichtlich der Rolle der Nebenintervenientin kam das Gericht zu dem Schluss, dass diese als Agentin der Beklagten keine eigenständigen Aufklärungspflichten gegenüber dem Kläger hatte. Ihre Verantwortung beschränkte sich auf die Vermittlung des Vertrages, und unklare oder fehlerhafte Angaben des Klägers wurden ihr nicht zugerechnet.

Beweiswürdigung des Gerichts

Das Gericht hob hervor, dass es keine hinreichenden Beweise dafür gab, dass der Kläger die Nebenintervenientin oder die Beklagte über den Anlegerprozess informierte. Besonders die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Klägers wurde in Frage gestellt, da diese widersprüchlich und teils unplausibel erschienen. Ein Beispiel dafür war die Diskrepanz zwischen seiner Behauptung, die Versicherungsnehmerin habe die Ausstellung der Deckungsbestätigung erst im Januar 2013 erhalten, und der tatsächlichen Ausstellung im Juli 2012. Darüber hinaus wurde betont, dass die Nebenintervenientin keine Anhaltspunkte hatte, die sie zu einer genaueren Prüfung hätten veranlassen können, da weder E-Mail-Korrespondenzen noch andere schriftliche Belege zur behaupteten Information über den Eurofinanz-Prozess vorlagen.

Das Gericht betrachtete dies als Beleg für die Unplausibilität der Darstellung des Klägers. Insgesamt bewertete es die Aussage des Geschäftsführers der Nebenintervenientin als glaubwürdiger, insbesondere in Bezug auf die Negativfeststellung zur Versicherbarkeit bei einer rechtzeitigen Meldung des Anlegerverfahrens. Diese Aussage wurde durch die fehlende Dokumentation des Klägers untermauert, die es nahelegte, dass keine ausreichenden Informationen an die Versicherer weitergegeben worden waren. Diese Feststellung trug wesentlich zur Leistungsfreiheit der Beklagten bei.

Zusammenfassung und Praxistipp

Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung klar formulierter Vertragsklauseln und die Einhaltung von Anzeigepflichten in Versicherungsverträgen. Im Zweifelsfall ist es ratsam, rechtliche Beratung einzuholen, um mögliche Deckungslücken zu vermeiden. Ein verständliches Vertragsmanagement und transparente Kommunikation mit dem Versicherer sind essenziell, um den Versicherungsschutz zu sichern.

Tipps für Versichungsnehmer

Für Versicherungsnehmer, insbesondere in leitenden Positionen, empfiehlt es sich, vor Vertragsabschluss sämtliche gefahrenerhöhende Umstände offen zu legen. Die Vertragsbedingungen sollten im Hinblick auf Risikoausschlüsse und Obliegenheiten sorgfältig geprüft werden.

Tipps für Versicherungsvermittler

Für Versicherungsvermittler ergeben sich ebenfalls klare Lehren aus diesem Urteil. Es ist dringend davon abzuraten, Fragebögen im Namen des Versicherungsnehmers auszufüllen. Der Versicherungsnehmer sollte diese stets selbst und vollständig ausfüllen.

Vermittler sollten es zudem vermeiden, vermeintliche Tipps oder Formulierungshilfen anzubieten, die missverständlich sein könnten. Es ist ratsam, die vom Versicherungsnehmer ausgefüllten Unterlagen unverändert und eins zu eins an den Versicherer weiterzuleiten. Falls der Versicherer Rückfragen hat, sollten diese inhaltstreu und ohne eigenmächtige Ergänzungen an den Versicherungsnehmer weitergeleitet werden.

Ebenso sollten die Antworten des Versicherungsnehmers genau in dieser Form dem Versicherer übermittelt werden. Jegliche eigenständige Ergänzung oder Änderung der Unterlagen durch den Vermittler birgt erhebliche Risiken und sollte unterlassen werden.

Das Urteil wurde im Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes nicht veröffentlicht.

Wiener Neustadt, 07.01.2024

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Die Welt der Versicherungen ist komplex und oft unübersichtlich. Gerade deshalb versuchen viele Verbraucher, vermeintlich günstige Angebote über alternative Kanäle zu finden. Doch Vorsicht: Hinter den „Ghost Brokern“ verstecken sich Betrüger, die ahnungslose Kunden mit verlockend billigen Versicherungsangeboten ködern – mit verheerenden finanziellen Konsequenzen, wie der Financial Ombudsmann Service berichtet.

Was sind Ghost Broker?

Ghost Broker agieren als illegale Vermittler für Versicherungen, insbesondere im Bereich der Kfz- und Hausratversicherungen. Sie bieten ihre „Dienste“ über soziale Netzwerke, Messaging-Dienste oder Kleinanzeigen an und locken mit besonders günstigen Preisen. Das Problem: Die angebotenen Policen sind entweder gefälscht, manipuliert oder werden kurz nach Abschluss storniert. Die betroffenen Verbraucher bleiben letztlich unversichert.

Die häufigsten Methoden dieser Betrüger sind:

  • Gefälschte Policen: Hier existiert gar keine echte Versicherung. Die Opfer erhalten zwar Dokumente, die wie echte Versicherungszertifikate aussehen, jedoch keinerlei rechtlichen Schutz bieten.
  • Manipulierte Policen: Echte Versicherungen werden abgeschlossen, aber mit falschen Informationen, um die Prämie zu senken. Im Schadenfall werden solche Policen jedoch annulliert.
  • Stornierte Policen: Eine echte Versicherung wird zwar eingerichtet, aber nach kurzer Zeit storniert. Die Betrüger behalten die Rückzahlung, und der Kunde bleibt ohne Schutz.

    Die Konsequenzen für Opfer

    Viele Betroffene merken erst im Schadenfall, dass sie Opfer eines Ghost Brokers geworden sind. Dies führt zu erheblichen Problemen, darunter:

    • Hohe finanzielle Verluste durch nicht gedeckte Schäden.
    • Strafen für das Fahren ohne Versicherung.
    • Betrugsmarkierungen in Versicherungsdatenbanken, die zukünftige Policen teurer oder unmöglich machen.

    Betrug und steigende Zahlen

    Laut dem Financial Ombudsman Service (FOS) erreichte die Zahl der Beschwerden über Betrug und Betrugsfälle im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2024/25 mit 8.734 Fällen einen neuen Höchststand. Dies stellt einen deutlichen Anstieg gegenüber dem Vorjahr dar, in dem 6.094 Fälle gemeldet wurden. Besonders besorgniserregend ist, dass über die Hälfte dieser Fälle sogenannte „Authorised Push Payment“ (APP)-Betrügereien betrafen, bei denen Verbraucher dazu verleitet werden, Geld direkt an Betrüger zu überweisen. Diese alarmierenden Zahlen zeigen, wie wichtig es ist, aufmerksam zu bleiben und sich gegen mögliche Betrugsversuche zu schützen.

    Wie Sie sich schützen können

    • Überprüfen Sie den Versicherer und den Versicherungsmakler: Legitime Versicherer finden Sie in der Unternehmensdatenbank der FMA und legitime Makler im Gewerbeinformationssystem Austria – GISA (www.gisa.gv.at).
    • Seien Sie misstrauisch bei extrem niedrigen Preisen: Wenn ein Angebot zu gut erscheint, um wahr zu sein, ist es das wahrscheinlich auch.
    • Achten Sie auf professionelle Kommunikation: Seriöse Versicherungsmakler nutzen keine Social-Media-Nachrichten oder anonyme Plattformen als Hauptkanal.
    • Vermeiden Sie Barzahlungen: Seriöse Versicherer verlangen keine Barzahlungen oder unnachvollziehbare Transaktionswege.

    Vorsicht ist besser als Nachsicht!

    Der Wunsch nach Einsparungen bei Versicherungsprämien ist verständlich. Doch um langfristige Schäden zu vermeiden, ist Vorsicht geboten. Prüfen Sie Angebote gründlich, nutzen Sie vertrauenswürdige Quellen und zögern Sie nicht, Hilfe zu suchen, wenn Sie glauben, Opfer eines Betrugs geworden zu sein.

    Dazu gibt es in Österreich folgende Beschwerdestellen:

    WICHTIG: Vergessen Sie nicht, dass Sie im Anlassfall eines Betruges unverzüglich rechtlichen Beistand bei einem Rechtsanwalt einholen sollten. Dieser wird Sie über die Rechtslage und Ihre Möglichkeiten aufklären und gegebenenfalls auch eine Anzeige bei der zuständigen Stelle einbringen.

    Wr. Neustadt, 06.01.2025

    Dieser Blogbeitrag basiert auf Berichte des Financial Ombudsman Service (https://www.financial-ombudsman.org.uk/news/fraud-scam-complaints-hit-highest-ever-level, https://www.financial-ombudsman.org.uk/news/ghost-brokers-haunting-insurance-market).

    Bildnachweis: envato

    Eine Entscheidung des OGH vom 05.12.2024, 8 Ob 130/24m:

    Nach dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt forderte der Kläger, ein Verbraucher ohne Erfahrung mit Wertpapieren oder Finanzinstrumenten, von der beklagten Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Prospektkontrollor sein Investment zuzüglich der Zinsen eines Alternativinvestments Zug um Zug gegen die Übertragung der Rechte aus seiner unerwünschten Veranlagung. Hilfsweise wurde auch die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden des Klägers aufgrund ihres rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, der Unterlassung der pflichtgemäßen Kontrolle des Kapitalmarktprospekts der Emittentin gefordert.

    Der Kläger hatte im Jahr 2019 auf Basis dieses Kapitalmarktprospekts ein Nachrangdarlehen gezeichnet. Nach seinem Vorbringen befanden sich unvollständige und fehlerhafte Angaben im Prospekt, das zuvor von der Beklagten überprüft worden war. Die Beklagte habe bei der Prospektkontrolle grob fahrlässig gehandelt, indem sie die Richtigkeit des Prospekts nicht ordnungsgemäß geprüft hat, was schlussendlich zu einer falschen Anlageentscheidung durch den Kläger geführt habe.

    Die Beklagte wies die Vorwürfe zurück: Sie habe ihre Pflichten ordnungsgemäß erfüllt und lediglich eine formelle Kontrolle des Prospekts vorgenommen, ohne für die inhaltliche Richtigkeit verantwortlich zu sein. Der Kläger selbst trage Verantwortung für seine Anlageentscheidung, er habe auf die Empfehlungen seines Beraters und nicht auf den von ihm nicht einmal gelesenen Prospekt vertraut.

    Ohne Kausalität des Prospekts für die Anlageentscheidung keine Prospekthaftung

    Das Erstgericht wies die Klage deshalb ab, da der Kläger nicht nachweisen konnte, dass der Prospekt oder sein Fehler darin irgendeinen Einfluss auf seine Anlageentscheidung hatten.

    Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil und stellte fest, dass der Kläger nicht den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen dem fehlerhaften Prospekt und seinem Schaden darlegen konnte. Falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben müssen für eine Haftung ausschlaggebend für die Zeichnung des Anlegers gewesen sein.

    Nach ständiger Rechtsprechung des OGH (RS0107352 u.a.) bestehen Prospekthaftungsansprüche, wenn ein Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewogen wird. Es handelt sich dabei um eine typisierte Vertrauenshaftung aus Verschulden bei Vertragsabschluss. Der Prospekt bildet im Regelfall die Grundlage für den Beteiligungsentschluss des geschädigten Anlegers, weshalb er sich grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit verlassen dürfen soll. Dass der Anleger den Prospekt selbst gelesen haben muss, wird nicht gefordert.

    Im Ergebnis gab der Oberste Gerichtshof der Revision des Klägers statt und hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf.

    Das Verfahren wurde an das Erstgericht zurückverwiesen, um herauszufinden, ob sich der Kläger im Vertrauen auf den Prospekt tatsächlich zum Kauf entschloss und ob die zur Zeichnung führende Kaufempfehlung des Beraters auf falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben (RS0107352) oder bloß auf andere Quellen gegründet war.

    Erst in einem nächsten Schritt ist nach Ansicht des OGH zu prüfen, ob und in welcher Weise den Beklagten konkret eine Verletzung der ihn treffenden (Prospekt-) Kontrollpflichten anzulasten wäre.

    Zusammengefasst wird mit dieser Entscheidung einmal mehr die Tragweite von Entscheidungen mündiger Anleger zu Gunsten des Anlegerschutzes erweitert. Es ist nicht notwendig, dass der Anleger die Grundlage, auf die er seine Anlageentscheidung stützt, selbst gelesen haben muss. Vielmehr reicht es aus, wenn sein Berater sich mit den Entscheidungsgrundlagen – nämlich dem Prospekt – auseinandergesetzt hat und die daraus vermeintlich rezitierten Angaben des Beraters zur Anlageentscheidung des Anlegers geführt haben. Die Anforderungen an die Kausalität bei Prospekthaftungsfällen dürften damit etwas zu Gunsten des Anlegers erleichtert sein, wenngleich die Verantwortung des Anlageberaters damit in den Vordergrund gerückt wird. Eine Denkweise, die wir vom OGH schon bei der Haftung des Abschlussprüfers kennengelernt haben (4 Ob 145/21h).

    Nichtsdestotrotz zeigt diese Entscheidung einmal mehr die Komplexität der Prospekthaftungsansprüche auf, da auch die Feststellung, dass unvollständige oder fehlerhafte Angaben im Prospekt, kausal für eine Fehlentscheidung des Anlegers ist, hohe Anforderungen an die Beweisführung mit sich bringt.

    Fazit

    Im Ergebnis muss der Anleger den Prospekt zwar nicht selbst gelesen haben, aber dennoch im Vertrauen auf den ihm – wie immer zugegangenen Inhalt des Prospektes – seine Veranlagungsentscheidung getroffen haben.  Erst dann muss man prüfen, ob eine Pflichtverletzung des Prospektprüfers hinsichtlich des Sachverhalts, der zur Veranlagung durch den Anleger geführt hat, überhaupt vorliegt und zuletzt, ob diese dem Prüfer auch vorzuwerfen ist.

    Wien, 11.02.2025

    Autoren: Mag. Ulrich Walter ist Kanzleipartner bei Neumayer & Walter Rechtsanwälte KG, Mag. Dominique Perl ist derzeit Rechtsanwaltsanwärterin bei Neumayer & Walter Rechtsanwälte KG und wird im Februar 2025 als Rechtsanwältin angelobt.

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    Im digitalen Zeitalter ist die Transparenz bei Verbraucherrechten essenziell. Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 26.09.2024 schafft Klarheit in Bezug auf die Anforderungen an Kündigungsmöglichkeiten auf Webseiten.

    Sachverhalt

    Der Bundesverband der Verbraucherzentralen verklagte ein Energieunternehmen wegen mangelhafter Kündigungsmöglichkeiten auf seinen Online-Portalen. Es fehlten eindeutige „Kündigungsschaltflächen“, die eine klare Kündigung per Knopfdruck ermöglichen sollten.

    Vorbringen der Kläger

    Der Kläger machte geltend, dass die Webseiten der Beklagten gegen § 312k Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstoßen. Es fehlten Hinweise auf eine Online-Kündigungsmöglichkeit auf dieser, und die Beschriftung „Kündigungsabsicht abschicken“ sei nicht ausreichend eindeutig. Er forderte eine unmissverständlich beschriftete Schaltfläche wie „jetzt kündigen“, um sicherzustellen, dass Verbraucher über die rechtlichen Folgen ihrer Handlungen aufgeklärt sind.

    Erwiderung der Beklagten

    Die Beklagte argumentierte, dass Verbraucher, die Verträge über eine Webseite abschließen, im Regelfall direkt über ihre eigene Webseite kündigen würden. Sie verteidigte die Formulierung „Kündigungsabsicht abschicken“ als ausreichend und betonte, dass eine Kündigung eine einseitige Willenserklärung sei. Zudem wies sie die Forderungen des Klägers zurück und hielt die Formulierungen und Hinweise auf ihren Webseiten für gesetzeskonform.

    Entscheidung des Gerichts

    Das Gericht entschied zugunsten der Verbraucherzentralen. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Beschriftung „Kündigungsabsicht abschicken“ nicht die nötige Eindeutigkeit aufweist, die § 312k Abs 2 Satz 3 Z 2 BGB erfordert. Diese Formulierung könne irreführend wirken, da sie nicht klar signalisiert, dass die Betätigung der Schaltfläche unmittelbare Rechtsfolgen nach sich zieht. Verbraucher könnten meinen, dass damit nur eine Kündigungsabsicht bekundet werde, anstatt die Kündigung endgültig zu erklären. Das Gericht hob hervor, dass der gesetzlich vorgeschriebene Wortlaut oder eine gleichwertig klare Formulierung verwendet werden müsse, um die Rechtsklarheit zu gewährleisten.

    Zudem stellte das Gericht fest, dass Unternehmen auch dann eine Kündigungsschaltfläche bereitstellen müssen, wenn Verträge über Drittseiten abgeschlossen werden. Dies sichert, dass der Verbraucher an jedem Punkt des Vertragsabschlusses auch eine einfache Kündigungsmöglichkeit hat. Die Pflicht zur Bereitstellung der Schaltfläche kann nicht nur auf die eigene Webseite beschränkt werden.

    Folgen für Online-Auftritte

    Unternehmen, die Verträge online anbieten, müssen sicherstellen, dass ihre Webseiten den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Dazu gehört eine unmissverständlich beschriftete Kündigungsschaltfläche („jetzt kündigen“) und die Verfügbarkeit dieser Funktionalität auf allen relevanten Plattformen. Ein Verstoß kann erhebliche Ordnungsgelder oder andere Sanktionen nach sich ziehen.

    Dieses Urteil betont die Notwendigkeit klarer Formulierungen und intuitiver Verbraucherführung in digitalen Prozessen. Anpassungen in Online-Auftritten sind entscheidend, um den Anforderungen gerecht zu werden und potenzielle Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

    Link zum Urteil: OLG Hamburg vom 26.09.2024, 5 UKI 1/23

    In Österreich sind beim Online-Auftritt unter anderem folgende Gesetze zu beachten:

    Wiener Neustadt, 09.01.2025

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    Wie lautet die Ausgangslage?

    Am 28. August 2024 erging ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) in Österreich (7 Ob 88/24b), das für den Bereich der Gruppenversicherungen von erheblicher Bedeutung ist. In diesem Urteil wurden wesentliche Rechtsfragen zur Haftung und den Pflichten von Versicherern bei Gruppenversicherungsverträgen behandelt. Dieser Blogbeitrag beleuchtet das Urteil und stellt die Unterschiede von Gruppenversicherungen im Vergleich zu Einzelversicherungen heraus.

    Der Hintergrund des Urteils

    Im zugrundeliegenden Fall ging es um die Frage, inwieweit ein Versicherer gegenüber den versicherten Personen einer Gruppenversicherung haftet, wenn diese Personen über wesentliche Vertragsbestimmungen nicht ausreichend aufgeklärt wurden. Die Klägerin hatte als versicherte Person eines Gruppenversicherungsvertrags behauptet, sie sei unzureichend über die Bedingungen informiert worden, was letztlich zu einem Schaden führte. Die Hauptfrage war, ob der Versicherer direkt gegenüber der versicherten Person haftet, obwohl der Vertrag mit einem dritten Vertragspartner (dem Versicherungsnehmer) geschlossen wurde.

    Der OGH bestätigte in seinem Urteil, dass eine besondere Aufklärungspflicht des Versicherers besteht, auch wenn es sich um eine Gruppenversicherung handelt. Der Versicherer muss sicherstellen, dass die versicherten Personen über die wesentlichen Vertragsbedingungen hinreichend informiert sind.

    Was ist eine Gruppenversicherung?

    Eine Gruppenversicherung ist ein Versicherungsvertrag, der für eine größere Anzahl von Personen abgeschlossen wird, die über eine gemeinsame Zugehörigkeit verfügen – etwa Mitarbeiter eines Unternehmens oder Mitglieder eines Vereins. Der Versicherungsnehmer (dies kann z. B. ein Unternehmen, ein Verein oder eine Interessenvertretung sein) schließt den Vertrag ab und ermöglicht den Mitgliedern den Beitritt dazu. Der Vertrag wird von der Versicherungsnehmerin verwaltet. Die versicherten Personen sind Begünstigte des Vertrags, jedoch nicht direkte Vertragspartner des Versicherers.

    Die Besonderheit bei Gruppenversicherungen liegt darin, dass der Vertrag standardisiert ist und meist keine individuellen Anpassungen für einzelne versicherte Personen vorgenommen werden. Der Vorteil besteht oft in günstigeren Prämien und einem einfacheren Abschluss, da der Versicherer die Risiken auf viele Personen verteilt.

    Unterschiede zwischen echten und unechten Gruppenversicherungen

    Bei der Gruppenversicherung wird durch einen Vertrag einer Mehrzahl versicherter Personen für eine diese gemeinsam treffende Gefahr Versicherungsschutz gewährt. Schließt der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag zu Gunsten der Gruppenmitglieder, wird dies als „echte Gruppenversicherung“ bezeichnet. Diese stellt eine besondere Form der Versicherung für fremde Rechnung dar.

    Bei der „unechten Gruppenversicherung“ schließt eine Person hingegen nur einen Rahmenvertrag, der die Eckpunkte darauf beruhender Versicherungsverträge festlegt. Die Versicherungsverträge werden dann vom Versicherungsnehmer im eigenen Namen und im eigenen Interesse abgeschlossen (RS0134381).

    Was sollten insbesondere Versicherungsmakler bei der Vermittlung von Gruppenverträgen beachten?

    Nach der ständigen Rechtsprechung des OGH ist ein Versicherungsmakler im Sinne der §§ 26 ff MaklerG zwar regelmäßig ein Doppelmakler (vgl § 27 MaklerG), wird aber trotzdem als Hilfsperson des Versicherungsnehmers dessen Sphäre zugerechnet und hat primär als „Bundesgenosse“ des Versicherten dessen Interessen zu wahren.

    Die sah der OGH auch in diesem Fall, und stellte fest, dass die Beklagte (Versicherung) gegenüber dem durch einen Versicherungsmakler vertretenen Kläger auch keine besondere Aufklärungspflicht treffen. Gegenüber einem durch einen professionellen Versicherungsmakler vertretenen Versicherungsnehmer treffen den Versicherer nämlich grundsätzlich nur herabgesetzte Informationspflichten, die sich letztlich auf die Erbringung allgemeiner (formelhafter) Risikohinweise beschränken (vgl etwa 7 Ob 33/15a mwN).

    Learning aus dem Urteil!

    Das OGH-Urteil verdeutlicht, dass Berater (speziell Versicherungsmakler) bei der Beratung und Vermittlung von Gruppenversicherungsverträgen verstärkt in die Pflicht genommen werden, die versicherten Personen umfassend zu informieren. Dies stellt jedoch keine neue Entwicklung dar, sondern ist eine Wiederholung der gesetzlichen Verpflichtung gemäß Artikel 17 Abs 1 RL (EU) 2016/97 (IDD). Diese Vorschrift verlangt von Versicherungsvertreibern, dass sie bei ihrer Vertriebstätigkeit stets ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden handeln.

    Für Versicherer und Versicherungsmakler stellt dieses Urteil eine klare Aufforderung dar, ihre Informationsprozesse zu optimieren und sicherzustellen, dass die versicherten Personen ihre Rechte und Pflichten genau kennen. In Betracht käme hier unter Umständen auch die Veröffentlichung bzw. Herausgabe des vollständigen Gruppenversicherungsvertrags sowie aller relevanten Dokumente (z. B. Vermittlungsauftrag, Ausschreibung, Gruppenvertrag, Versicherungsbedingungen und Sondervereinbarungen).

    Adressaten für etwaige Schadenersatzansprüche aufgrund einer Fehlberatung sind der Versicherer auf Grundlage des Versicherungsvertrages zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer und/oder der Versicherungsmakler auf Grundlage des Maklervertrages zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsmakler.

    Link zum Urteil: 7 Ob 88/24b

    Wiener Neustadt, 08.11.2024

    Bildnachweis: envato