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Der aktuelle D&O-Report von Allianz Commercial zeigt sehr deutlich: Für Geschäftsführer, Vorstände und Beiräte ist das Umfeld nochmals anspruchsvoller geworden. Geopolitische Konflikte, steigende Insolvenzen, neue Regulierung und technische Entwicklungen wie künstliche Intelligenz (KI) führen dazu, dass Managemententscheidungen heute schneller vor Gericht landen können als früher.

In diesem Beitrag erfahren Sie,

  • welche Hauptrisiken der Bericht hervorhebt,
  • warum das nicht nur börsennotierte Konzerne, sondern gerade auch den Mittelstand betrifft,
  • und worauf Sie als Organ einer Gesellschaft bei Ihrer D&O-Absicherung achten sollten.

Was ist die D&O-Versicherung überhaupt?

Die D&O-Versicherung – oft auch „Managerhaftpflicht“ genannt – schützt Organe und leitende Angestellte vor den finanziellen Folgen von Pflichtverletzungen in Ausübung ihrer Tätigkeit.

Typische Beispiele sind strategische Fehlentscheidungen, fehlerhafte oder verspätete Informationen an Gesellschafter, Aufsichtsrat oder Behörden, Verstöße gegen Gesetze, Verordnungen oder interne Richtlinien.

Wird ein Organ persönlich in Anspruch genommen, übernimmt die D&O – im Rahmen der Bedingungen – Verteidigungskosten und Schadenersatzansprüche. Damit schützt sie das Privatvermögen der handelnden Personen und kann zugleich die Bilanz des Unternehmens entlasten.

Warum ist die D&O-Versicherung gerade jetzt so wichtig?

Der Allianz-Report zeigt, dass sich mehrere Risikofelder überlagern:

Steigende Unternehmensinsolvenzen: Weltweit nehmen die Firmenpleiten zu; besonders betroffen sind Branchen wie Immobilien, Bau, Tourismus und Konsumgüter. Insolvenzen führen erfahrungsgemäß häufig zu D&O-Ansprüchen, etwa durch Kreditgeber oder Gesellschafter.

Volatile geopolitische Lage: Kriege, Handelssanktionen und politische Spannungen führen zu Lieferkettenproblemen, zusätzlichen Kosten und rechtlichen Fragen – und damit zu möglichen Vorwürfen gegen das Management.

Schärfere Aufsicht & mehr Sammelklagen: Behörden und Gerichte prüfen Unternehmensverhalten intensiver. Sammelklagen nehmen nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und Australien zu.

Digitalisierung & KI: Cyberangriffe, Datenschutzvorfälle und der Umgang mit künstlicher Intelligenz schaffen neue Haftungsfragen.

Besonders interessant: Laut Allianz steigt die Nachfrage nach D&O-Versicherungen im deutschsprachigen Mittelstand deutlich – also bei Unternehmen, die bisher oft davon ausgingen, dass D&O eher ein „Großkonzern-Thema“ sei.

Die wichtigsten Risikobereiche im Überblick

  • Insolvenzen: Haftungsfalle in wirtschaftlich schwierigen Zeiten

Steigende Zinsen, hohe Kosten und ein schwächeres Wachstum setzen viele Unternehmen unter Druck. Allianz erwartet weltweit anhaltend hohe oder sogar weiter steigende Insolvenzzahlen.

Für Organmitglieder bedeutet das Sanierungsentscheidungen (zB Finanzierungsrunden, Kostensenkungen, Verkauf von Unternehmensteilen) werden im Nachhinein kritisch geprüft. Die Insolvenzantragspflichten sind in vielen Rechtsordnungen streng – wer zu spät reagiert, riskiert persönliche Haftung. Die Kommunikation mit Banken, Investoren und Lieferanten kann später als irreführend oder unvollständig gewertet werden.

Gerade im Mittelstand, wo viel an wenigen Schlüsselpersonen hängt, sind sauber dokumentierte Entscheidungen und ein aktueller D&O-Schutz entscheidend.

  • Geopolitik & Sanktionen: Risiko jenseits klassischer Märkte

Der Allianz-Bericht spricht von einer „febrilen“ geopolitischen Landschaft: Kriege, Handelskonflikte und Spannungen zwischen großen Wirtschaftsräumen führen zu Lieferkettenstörungen, Betriebsunterbrechungen und erhöhtem regulatorischen Druck.

Haftungsrelevant wird es, wenn Sanktionen nicht oder falsch umgesetzt werden, Geschäfte in politisch instabilen Regionen ohne angemessenes Risikomanagement fortgesetzt werden, geopolitische Entwicklungen im Risikobericht oder in Kapitalmarktinformationen verharmlost oder übersehen werden.

Daraus folgt: Geopolitik ist heute Chefsache – und gehört in Risikoberichte, Compliance-Strukturen und Aufsichtsgremien.

  • Künstliche Intelligenz: Von „AI-Washing“ bis Datenschutz

Viele Unternehmen setzen auf KI, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig warnt Allianz vor neuen Haftungsrisiken:

„AI-Washing“: Wer gegenüber Investoren, Kunden oder Öffentlichkeit übertreibt, wie „intelligent“ oder innovativ die eigene Lösung ist, kann sich dem Vorwurf irreführender Angaben aussetzen – mit der Gefahr von Sammelklagen, insbesondere wenn Wertpapierkurse betroffen sind.

Fehlentscheidungen durch KI („Halluzinationen“): KI-Systeme können falsche oder verzerrte Ergebnisse liefern. Trifft das Management Entscheidungen ausschließlich darauf gestützt, kann das später kritisch werden.

Datenschutz und Urheberrecht: Die Nutzung von Trainingsdaten, Quellcode und personenbezogenen Daten kann zu erheblichen Bußgeldern und Reputationsschäden führen, wenn Regeln verletzt werden.

Der Report empfiehlt, dass Aufsichtsgremien aktiv in die Governance von KI einbezogen werden, und klare Prozesse, Zuständigkeiten und Kontrollen eingerichtet sind.

  • Cyber & Datenschutz: IT-Risiken werden zur Managerhaftung

Cyberangriffe, technische Störungen und Datenschutzverstöße zählen seit Jahren zu den wichtigsten Unternehmensrisiken – und schlagen immer häufiger auch auf die persönliche Haftung durch.

Aus D&O-Sicht besonders kritisch unzureichende IT-Sicherheitsmaßnahmen, fehlender oder mangelhafter Notfall- und Wiederanlaufplan, Nichtbeachtung von Regulierungen wie NIS-Richtlinie, DORA oder Datenschutzvorgaben, zu späte oder unvollständige Information betroffener Kunden, Aufsichtsbehörden oder Investoren.

Hier greifen häufig Cyber-Versicherung und D&O-Deckung ineinander – erstere für Sach- und Betriebsunterbrechungsschäden, letztere für die persönliche Haftung der Entscheider.

  • ESG, „Forever Chemicals“ & andere Emerging Risks

Allianz nennt in ihren Reports immer wieder Umwelt- und Gesellschaftsthemen als wachsende Haftungsquelle: etwa Klimarisiken, Lieferketten-Pflichten und sogenannte „Forever Chemicals“ (PFAS), bei denen weltweit hohe Sanierungs- und Entschädigungskosten diskutiert werden.

Für Manager bedeutet das, dass ESG-Themen nicht nur „Imagefragen“ sind, sondern zu straf- und zivilrechtlichen Verfahren führen können. Die möglichen Vorwürfe reichen von Greenwashing bis zur unterlassenen Risikooffenlegung gegenüber Investoren. Wer neue regulatorische Entwicklungen ignoriert oder zu spät reagiert, kann persönlich in Anspruch genommen werden.

Darauf sollten Geschäftsführer, Vorstände und Beiräte achten

  • Risikomanagement regelmäßig aktualisieren

Geopolitik, Cyber, KI und ESG gehören heute standardmäßig in die Unternehmensrisikoanalyse. Ein „Update einmal pro Jahr“ reicht laut Allianz nicht mehr aus.

  • Entscheidungen sauber dokumentieren

Gerade in Krisensituationen (z. B. Liquiditätsengpässen) ist nachvollziehbar festzuhalten, welche Optionen geprüft wurden, welche Informationen vorlagen, und warum man sich für einen bestimmten Weg entschieden hat.

  • Spezialwissen im Gremium verankern

Expertise für Cyber/IT, KI und ESG sollte im Management-Team oder Aufsichtsrat ausdrücklich vorhanden sein – sei es intern oder durch externe Berater.

  • D&O-Programm an internationale Strukturen anpassen

Unternehmen mit Auslandsstandorten sollten prüfen, ob lokale Policen oder ein multinationales D&O-Programm notwendig sind, um Anforderungen in verschiedenen Rechtsordnungen zu erfüllen.

Bestehende D&O-Deckung kritisch überprüfen

  • Ist der Versicherungssumme angemessen, auch im Hinblick auf mögliche Sammelklagen und hohe Verteidigungskosten?
  • Sind Cyber-, KI- und ESG-Bezüge nicht durch enge Ausschlüsse eingeschränkt?
  • Sind Verteidigungskosten ab Erstanspruch mitversichert – unabhängig vom endgültigen Ausgang des Verfahrens?

Unser Tipp: D&O-Schutz rechtzeitig und vorausschauend gestalten

Wer heute ein Unternehmen führt, muss nicht „alles richtig machen“ – aber nachweisen können, dass sorgfältig, informiert und strukturiert entschieden wurde. Eine passende D&O-Versicherung ist dabei kein Luxus, sondern ein wichtiger Baustein persönlicher Risikovorsorge.

Gerade für Mittelstandsunternehmen gilt:

  • Die Haftungsregeln unterscheiden nicht zwischen kleinem Familienunternehmen und internationalem Konzern.
  • Der finanzielle Spielraum, um langwierige Verfahren aus eigener Tasche zu bestreiten, ist im Mittelstand jedoch oft deutlich geringer.

Eine individuelle Analyse der Organhaftungsrisiken und eine auf Ihr Geschäftsmodell abgestimmte D&O-Lösung helfen, unangenehme Überraschungen zu vermeiden.

Conclusio

Der Allianz-Report macht klar, dass die Haftungsrisiken für Organe steigen – nicht unbedingt in der Anzahl der Klagen, aber in deren Komplexität und Schadenshöhe. Vor allem Insolvenzen, geopolitische Verwerfungen, Cyber & KI sowie ESG-Themen sind Hauptelemente für Schadenfälle, und von Führungskräften wird erwartet, dass sie Risiken frühzeitig erkennen, offen kommunizieren und aktiv steuern.

Wer diese Entwicklungen ernst nimmt, sein Risikomanagement modernisiert und seine D&O-Deckung anpasst, schafft die Basis dafür, auch in stürmischen Zeiten handlungsfähig zu bleiben – ohne das eigene Privatvermögen aufs Spiel zu setzen.

Gerne unterstützen wir Sie dabei, für Ihr Unternehmen passende D&O- und ergänzende Versicherungslösungen zu gestalten – mehr dazu finden Sie unter https://www.hoeher.info/duo_unternehmen.

Quelle: Directors and officers (D&O) insurance insights 2026, Allianz Commercial, (Stand 04.12.2025).

Wiener Neustadt, 11.12.2025

Bildnachweis: envato

Cyber-Versicherungen gelten als wichtiger Schutzschild gegen digitale Angriffe. Doch nicht jeder Cyber-Vorfall ist automatisch versichert – das zeigt eine Entscheidung des Landgerichts Hagen vom 15.10.2024 (Az. 9 O 258/23). Das Gericht befasste sich mit der Frage, ob ein Täuschungsschaden durch Phishing-Mails unter den Schutz einer Cyber-Versicherung fällt.

Der Fall: Täuschungsschaden nach manipulierten E-Mails

Die Klägerin, ein mittelständisches Unternehmen, wurde Opfer eines Täuschungsschadens. Unbekannte Täter nutzten ein gehacktes E-Mail-Postfach eines Lieferanten, um gefälschte Zahlungsanweisungen zu versenden. Infolge dieser Täuschung überwies das Unternehmen rund 85.000 Euro auf ein betrügerisches Konto.

Die Klägerin argumentierte, der Angriff stelle eine Netzwerksicherheitsverletzung im Sinne der Versicherungsbedingungen dar, da direkt in den E-Mail-Verkehr eingegriffen worden sei. Zudem sei der Deckungsausschluss für Täuschungsschäden wegen Intransparenz unwirksam.

Die Position des Versicherers

Die beklagte Partei, der Versicherer, wies den Anspruch zurück. Sie führte an, dass keine Verletzung der eigenen IT-Infrastruktur der Klägerin vorlag. Der Angriff habe ausschließlich das System des Lieferanten betroffen. Ein Täuschungsschaden durch Phishing-Mails sei laut Versicherungsbedingungen nicht Bestandteil des Versicherungsschutzes.

Die Klauseln seien außerdem klar und verständlich formuliert, sodass der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennen könne, welche Risiken abgedeckt seien – und welche nicht.

Das Urteil: Kein Versicherungsschutz bei Täuschungsschäden

Das Landgericht Hagen wies die Klage ab. Nach Ansicht des Gerichts lag weder eine Netzwerksicherheitsverletzung noch eine Vertraulichkeitsverletzung im Sinne der Versicherungsbedingungen vor. Der erlittene Täuschungsschaden falle somit nicht unter den Schutz der Cyber-Versicherung.

Entscheidend war dabei, dass die Klauseln weder intransparent noch überraschend seien. Das Transparenzgebot sei gewahrt, da die Bedingungen klar erkennen ließen, dass nur eigene Sicherheitsverletzungen des Versicherungsnehmers versichert sind.

Warum das Urteil wichtig ist

Das Urteil verdeutlicht: Cyber-Versicherungen bieten keinen allumfassenden Schutz gegen jede Form von Cyberkriminalität. Unternehmen müssen die Versicherungsbedingungen im Detail prüfen, um zu verstehen, welche Risiken tatsächlich gedeckt sind.

Unklare oder zu eng gefasste Bedingungen können zu erheblichen finanziellen Verlusten führen. Eine Kombination aus passgenauer Versicherung, technischer IT-Sicherheit und organisatorischen Maßnahmen ist daher entscheidend, um das Risiko von Täuschungsschäden zu minimieren.

Praxistipps für Unternehmen

  • Verträge regelmäßig prüfen: Überprüfen Sie Ihre Cyber-Versicherung regelmäßig auf aktuelle Risiken.
  • Deckungsumfang vergleichen: Ein reiner Prämienvergleich ist ohne inhaltlichen Bedingungsvergleich wertlos.
  • Risikoeinschätzung vornehmen: Identifizieren Sie Schwachstellen in Ihrer IT und schließen Sie Versicherungslücken gezielt.
  • Vorsorge treffen: Ergänzen Sie den Versicherungsschutz durch organisatorische und technische Sicherheitsmaßnahmen.

So stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen bestmöglich gegen Täuschungsversuche und andere Cyber-Risiken geschützt ist.

Quelle: Das Urteil im Volltext finden Sie hier: Landgericht Hagen, 9 O 258/23.

Wiener Neustadt, 12.11.2025

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Beim Abschluss einer Versicherung gibt es viele Fragen: von Gesundheitsdaten über Vorschäden bis hin zu persönlichen Risikofaktoren. Was viele nicht wissen: Schon kleine Ungenauigkeiten können im Ernstfall dazu führen, dass der Versicherungsschutz verloren geht.

In diesem Beitrag erfahren Sie, was die vorvertragliche Anzeigepflicht bedeutet, warum sie so wichtig ist – und wie Sie typische Fehler vermeiden.

Was ist die Anzeigepflicht in der Versicherung?

Die sogenannte vorvertragliche Anzeigepflicht ist im Versicherungsvertragsgesetz (§ 16 VersVG) geregelt.
Sie verpflichtet Versicherungsnehmer, alle relevanten Informationen anzugeben, die für die Risikobewertung des Versicherers entscheidend sind.

Fragt der Versicherer ausdrücklich – etwa nach Vorschäden, Krankheiten oder besonderen Risiken –, gelten diese Angaben automatisch als wesentliche Entscheidungsgrundlage für den Vertragsabschluss.

Warum ist die Anzeigepflicht so wichtig?

Der Versicherer kalkuliert das Risiko anhand Ihrer Angaben. Nur wenn diese vollständig und korrekt sind, kann er faire Tarife und passende Leistungen anbieten.
Fehlen Informationen oder sind sie falsch, kann das zu Problemen im Schadensfall führen. Deshalb nimmt das Gesetz diese Pflicht sehr ernst.

Darauf müssen Versicherungsnehmer achten

1. Sorgfalt:
Beantworten Sie alle Fragen gewissenhaft und vollständig. Auch kleine Details können entscheidend sein.

2. Eigenverantwortung:
Wenn ein Vermittler das Formular ausfüllt – prüfen Sie alles vor der Unterschrift. Die Verantwortung liegt bei Ihnen.

3. Transparenz:
Alle geforderten Angaben müssen wahrheitsgemäß und vollständig sein. Selbst kleine Nachlässigkeiten können als Pflichtverletzung gewertet werden.

Folgen von Falschangaben oder verschwiegenen Informationen

Kommt es zum Versicherungsfall, kann der Versicherer die Leistung verweigern, wenn ein verschwiegener oder falsch angegebener Umstand relevant war.
Der Versicherungsnehmer muss dann beweisen, dass die Angabe keine Rolle gespielt hat – schon die bloße Möglichkeit kann reichen, damit der Versicherer leistungsfrei ist.

In vielen Fällen kann der Versicherer auch vom Vertrag zurücktreten oder ihn anfechten.

Unser Tipp: Sorgfalt schützt vor bösen Überraschungen

Überprüfen Sie beim Abschluss einer Versicherung alle Angaben genau.
Bei Unsicherheiten sollten Sie einen unabhängigen Versicherungsexperten hinzuziehen – das kann im Ernstfall entscheidend sein. So stellen Sie sicher, dass Ihr Versicherungsschutz nicht gefährdet ist.

Fazit

Die vorvertragliche Anzeigepflicht ist eine der wichtigsten Pflichten beim Abschluss einer Versicherung.
Wer ehrlich, sorgfältig und transparent antwortet, vermeidet Streit im Schadensfall und sichert sich einen verlässlichen Versicherungsschutz, wenn es darauf ankommt.

Wiener Neustadt, 11.11.2025

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Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) revolutioniert viele Aspekte des Vertriebs. Im Bereich des Cold Callings, also der unerwarteten Kontaktaufnahme mit potenziellen Kunden, bietet KI ein enormes Potenzial für Effizienzsteigerungen und personalisierte Kundenansprache. Dennoch gibt es gerade im Bereich der Finanzdienstleistungen und Versicherungsvermittlung klare rechtliche Einschränkungen, die Unternehmen unbedingt beachten sollten. Dieser Beitrag beleuchtet die Funktionsweise von Cold Calling KI, ihre Vorteile und warum ihr Einsatz in bestimmten Branchen problematisch ist.

Wie funktioniert Cold Calling KI?

KI-gestützte Cold-Calling-Systeme kombinieren fortschrittliche Algorithmen mit Automatisierungstechnologien, um den Anrufprozess effizienter zu gestalten. Die wichtigsten Funktionen umfassen:

  • Personalisierung: Durch die Analyse von Kundendaten kann die KI Gespräche an die Bedürfnisse und Vorlieben der Kunden anpassen. Beispielsweise können bestimmte Ansprachen oder Produktangebote basierend auf früheren Interaktionen optimiert werden.
  • Automatisierung: KI-Systeme wählen automatisch Telefonnummern, hinterlassen vorprogrammierte Nachrichten und protokollieren Anrufdetails. Dies spart Zeit und reduziert den manuellen Aufwand.
  • Datengetriebene Optimierung: KI-Systeme sammeln Informationen über die Effektivität von Anrufen, um Strategien kontinuierlich anzupassen. Erfolgreiche Ansätze werden dabei priorisiert.
  • Lead-Qualifizierung: Durch den Abgleich von Kundenprofilen mit vorgegebenen Kriterien können vielversprechende Leads priorisiert werden.

Was ist Cold Calling?

Cold Calling bezeichnet die unaufgeforderte telefonische Kontaktaufnahme mit potenziellen Kunden, die zuvor keinerlei Beziehung oder Interaktion mit dem anrufenden Unternehmen hatten. Es wird oft als Methode zur Neukundengewinnung eingesetzt, indem Produkte oder Dienstleistungen beworben werden. Allerdings unterliegt Cold Calling strengen gesetzlichen Vorschriften. Nach § 174 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) ist die Kontaktaufnahme ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person verboten. Dieses Verbot soll Verbraucher vor ungewünschten Belästigungen und möglichen Datenschutzverletzungen schützen. Unternehmen, die gegen diese Vorschrift verstoßen, müssen mit empfindlichen Strafen rechnen. Insbesondere im Finanz- und Versicherungssektor ist dies relevant, da diese Branchen oft mit sensiblen Daten arbeiten.

Vorteile von Cold Calling KI

  • Effizienzsteigerung: Repetitive Aufgaben werden automatisiert, wodurch Vertriebsmitarbeiter mehr Zeit für den Abschluss von Geschäften haben.
  • Skalierbarkeit: Große Datenmengen können analysiert werden, um eine großflächige Kundenansprache zu ermöglichen.
  • Personalisierte Ansprache: Kunden fühlen sich individuell angesprochen, was die Erfolgsquote steigern kann.

Warum vom Einsatz abzuraten ist

Angesichts der rechtlichen und ethischen Herausforderungen sollten Unternehmen im Finanz- und Versicherungssektor auf den Einsatz von Cold Calling KI verzichten. Der rechtliche Rahmen, speziell das Verbot unerlaubter Telefonwerbung, schränkt die Anwendung solcher Technologien stark ein. Darüber hinaus steht der Schutz sensibler Kundendaten im Fokus, da automatisierte Systeme wie Cold Calling KI anfällig für Datenschutzverletzungen und Missbrauch sein können. Eine alternative, gesetzeskonforme Kundenansprache sollte auf bewährten Strategien basieren, die das Vertrauen der Kunden fördern und regulatorische Anforderungen respektieren. Dadurch wird nicht nur das Risiko von rechtlichen Konsequenzen minimiert, sondern auch langfristig eine nachhaltige Kundenbeziehung aufgebaut. Cold Calling KI bietet erhebliche Vorteile in Bezug auf Effizienz und Personalisierung. Dennoch ist ihr Einsatz im Bereich der Finanzdienstleistungen und Versicherungsvermittlung aus rechtlichen und ethischen Gründen nicht gestattet. Unternehmen in diesen Branchen sollten daher auf alternative Methoden zur Kundenakquise setzen und sicherstellen, dass sie die geltenden Gesetze und Vorschriften einhalten. Durch einen verantwortungsvollen Umgang mit Technologien kann langfristig Vertrauen bei den Kunden geschaffen und Risiken vermieden werden.

Wiener Neustadt, 08.10.2025

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Eine sogenannte „All-Risk-Versicherung“ wird häufig als eine Versicherungsform verstanden, die sämtliche denkbaren Risiken abdeckt, ohne dass diese explizit benannt werden müssen. Statt einzelne Risiken aufzuführen, greift diese Versicherung für alle Schäden, sofern sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind. Dennoch existiert eine solche umfassende Absicherung in der Praxis nur in begrenztem Umfang und unter klaren Einschränkungen. In Österreich wird der Begriff rechtlich und praktisch eingegrenzt: Ein Vertrag, der buchstäblich „alles“ abdeckt, ist weder üblich noch umsetzbar. Versicherungen definieren vielmehr, was sie nicht abdecken, und setzen damit klare Grenzen für den Schutzumfang.

Die österreichische Rechtspraxis ist hier eindeutig: Versicherungsverträge decken nur jene Risiken, die im Vertrag geregelt sind – und viele Risiken sind explizit ausgeschlossen. Die zentrale Frage lautet daher: Welche Risiken bleiben unversichert, wie weit reichen die Beratungspflichten der Versicherer, und welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich daraus? Folgende Abschnitte greifen diese Fragen auf, gestützt auf wesentliche Urteile des Obersten Gerichtshofs (OGH).

Keine „All-Risk-Versicherung“: Realität vs. Mythos

Die österreichische Rechtsprechung, insbesondere die Entscheidung des OGH 26.01.2025, 7 Ob 1/05f, betont, dass es keine allgemeine „All-Risk-Versicherung“ gibt. Versicherungsnehmer dürfen daher nicht erwarten, dass eine Haushaltsversicherung sämtliche denkbaren Schäden abdeckt. Ein Beispiel ist die gängige Begrenzung von Überschwemmungsschäden, die durch Sublimits geregelt wird. Solche Begrenzungen sind marktüblich und wurden in der Entscheidung als sachlich gerechtfertigt eingestuft.

Diese Praxis findet auch Anwendung bei anderen Versicherungsarten, etwa Rechtsschutzversicherungen, wo Ausschlüsse von Gerichtsverfahren oder Verwaltungsakten häufig sind. Eine unklare Formulierung solcher Klauseln, wie in der Entscheidung des OGH 27.09.2023, 7 Ob 92/23i, kann jedoch als intransparent und benachteiligend beurteilt werden.

Beratungs- und Aufklärungspflichten: Wo liegen die Grenzen?

Die Rechtsprechung zeigt, dass Versicherer verpflichtet sind, Kunden sachkundig zu beraten, wenn dies nach den Umständen erwartet, werden kann. Gleichzeitig wird aber betont, dass die Belehrungspflichten nicht überspannt werden dürfen.

Pflichten bei erkennbaren Missverständnissen

Wenn ein Versicherungsnehmer den Schutz für ein ausdrücklich ausgeschlossenes Risiko sucht, muss der Versicherer darauf hinweisen. Ein Verstoß liegt insbesondere dann vor, wenn der Versicherungsnehmer in seinen Fehlvorstellungen bestärkt wird.

Ein Beispiel dafür bietet das Urteil des OGH 28.03.2012, 7 Ob 100/11y, in dem der Versicherungsnehmer glaubte, dass eine Versicherung Schäden durch Diebstahl umfassend deckt, obwohl dies an spezifische Verwahrungspflichten gebunden war. Hier hätte eine klare Beratung über die Ausschlussklauseln erfolgen müssen.

Vertragliche und rechtliche Grenzen

In Fällen wie in der Entscheidung des OGH 21.12.2011, 7 Ob 190/11h wird jedoch betont, dass Versicherer nicht verpflichtet sind, alle potenziellen Lücken im Versicherungsumfang zu prüfen. Stattdessen liegt es am Versicherungsnehmer, Fragen zu stellen oder eigene Bedürfnisse klar zu formulieren.

Typische Risikoausschlüsse: Beispiele aus der Praxis

Die österreichische Rechtsprechung beleuchtet zahlreiche Beispiele für Risikoausschlüsse:

Naturkatastrophen

Im Urteil des OGH 26.01.2005, 7 Ob 1/05f wurde bestätigt, dass Überschwemmungsschäden häufig nur mit einem Sublimit abgedeckt sind. Dies entspricht der Praxis, bestimmte hohe Risiken nur eingeschränkt zu versichern.

Rechtsschutzversicherungen

Im Urteil des OGH 27.09.2023, 7 Ob 92/23i hob dieser hervor, dass Klauseln zu Ausschlüssen von Verwaltungsakten präzise formuliert sein müssen. Eine missverständliche Formulierung, die den Umfang des Ausschlusses unklar lässt, wurde als intransparent und rechtswidrig eingestuft.

Verwahrungspflichten

In der Entscheidung des OGH 28.02.2012, 7 Ob 100/11y zeigte sich, wie essenziell klare Klauseln bei Verwahrungspflichten sind. Versicherer können verlangen, dass Versicherungsnehmer bestimmte Sicherheitsvorkehrungen treffen, um Deckung zu erhalten. Allerdings müssen diese Pflichten deutlich kommuniziert werden.

Lehren aus der Rechtsprechung

Für Versicherungsnehmer

  • Prüfen Sie die Bedingungen: Lesen Sie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) aufmerksam, besonders die Abschnitte zu Ausschlüssen.
  • Stellen Sie Fragen: Klären Sie unklare Punkte frühzeitig mit dem Versicherer oder Vermittler.
  • Erwartungen anpassen: Akzeptieren Sie, dass kein Versicherungsvertrag alle Risiken abdeckt.

Für Versicherer

  • Transparenz fördern: Verwenden Sie verständliche und präzise Klauseln, um Missverständnisse zu vermeiden.
  • Schulungen anbieten: Stellen Sie sicher, dass Ihre Vermittler über aktuelle rechtliche Entwicklungen informiert sind.
  • Beratung dokumentieren: Notieren Sie wichtige Hinweise und Erklärungen, um im Streitfall abgesichert zu sein.

Für Versicherungsvermittler

  • Kundenbedarf analysieren: Ermitteln Sie die individuellen Bedürfnisse und Risiken der Kunden.
  • Proaktive Kommunikation: Weisen Sie explizit auf Ausschlüsse und Begrenzungen hin.
  • Dokumentation sicherstellen: Halten Sie schriftlich fest, welche Informationen und Empfehlungen Sie gegeben haben.
  • Weiterbildung fördern: Bleiben Sie durch Schulungen und Seminare auf dem aktuellen Stand der Rechtsprechung.

Es gibt keine Versicherung, die alle möglichen Schadensfälle abdeckt!

Die österreichische Rechtsprechung unterstreicht, dass Versicherungsnehmer, Vermittler und Versicherer eine gemeinsame Verantwortung tragen, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden. Versicherungsnehmer sollten sich aktiv über den Inhalt ihrer Verträge informieren, während Versicherer transparente Bedingungen schaffen sollten und eine umfassende und transparente Beratung zu ermöglichen. Eine klare Kommunikation und die sorgfältige Prüfung der Vertragsinhalte sind der Schlüssel zu einer rechtssicheren und vertrauensvollen Vertragsbeziehung.

Dies kommt auch im Grundsatz von „Treu und Glauben“, der ein elementarer Bestandteil des Versicherungsverhältnisses ist, zum Ausdruck. In der Entscheidung OGH 15.06.2016, 7 Ob 86/16x hat der Oberste Gerichtshof diesen Grundsatz besonders hervorgehoben:

„[…] Vom Obersten Gerichtshof wurde bereits mehrfach betont, dass das Versicherungsverhältnis in besonderem Maße von Treu und Glauben beherrscht wird (RIS-Justiz RS0018055), welchen Grundsatz der Versicherungsnehmer ebenso gegen sich gelten lassen muss wie der Versicherer. Diese starke Betonung von Treu und Glauben soll der Tatsache Rechnung tragen, dass jeder der beiden Vertragspartner auf die Unterstützung durch den jeweils anderen angewiesen ist, weil er dem jeweils anderen in der einen oder anderen Weise unterlegen ist. Der Versicherungsnehmer verfügt zum Beispiel allein über die Kenntnis wesentlicher Umstände für den Vertragsschluss und die Schadensabwicklung. Der Versicherer ist dem Versicherungsnehmer durch die Beherrschung der Versicherungstechnik, seine Geschäftskunde, seine umfangreichen Erfahrungen und wegen der Sachverständigen, derer er sich bedienen kann, überlegen. Treu und Glauben beeinflussen daher das Versicherungsverhältnis in vielfacher Weise und können nach herrschender Meinung ergänzende Leistungs- oder Verhaltenspflichten schaffen (7 Ob 161/15z mwN). […]“.

Bei der Beratung und Vermittlung von Versicherungen muss, die in Österreich häufig anzutreffende „Vollkaskomentalität“ berücksichtigt werden. Eine „All-Risk-Versicherung“, die alle denkbaren Schäden abdeckt, gibt es nicht. Umso wichtiger sind klare Verträge, gute Beratung und realistische Erwartungen. Denn am Ende gilt: Nur wer weiß, was ausgeschlossen ist, weiß auch, worauf er sich wirklich verlassen kann.

Wiener Neustadt, 10.09.2025

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Die Rolle künstlicher Intelligenz (KI) im Finanz- und Versicherungswesen nimmt rasant zu. Ob automatisierte Schadensbearbeitung, digitale Anlageberatung oder präventive Cybersecurity – KI-Anwendungen verändern Arbeitsprozesse, Kundenbeziehungen und strategische Entscheidungen nachhaltig. Mit dieser Entwicklung wachsen auch die Anforderungen an rechtliche Compliance, Datenschutz und ethische Standards.

Um Fach- und Führungskräften eine fundierte Orientierung zu bieten, startet im Herbst 2025 die Webinar-Reihe „Fit für die KI im Finanz- und Versicherungsvertrieb“. In sechs praxisnahen Modulen vermitteln Experten aus Wirtschaft, Recht und Technik, wie KI-Technologien verantwortungsvoll eingesetzt werden können – und wie sich Unternehmen auf die Anforderungen des neuen EU AI Act vorbereiten.

Warum jetzt handeln?

Die Finanz- und Versicherungsbranche befindet sich an einem technologischen Wendepunkt. KI ist längst nicht mehr nur ein theoretisches Schlagwort, sondern wirkt bereits heute in operative Abläufe, Kundeninteraktionen und strategische Entscheidungsprozesse hinein.
Während der Begriff KI vielen Fachkräften bekannt ist, fehlt oft ein praxisnahes Verständnis für konkrete Einsatzmöglichkeiten, deren Potenzial und die damit verbundenen Risiken. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Rechtssicherheit, Datenschutz und ethische Verantwortung.

Ziel der Webinar-Reihe

Die Höher Akademie bietet in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich eine sechsteilige Webinar-Reihe an, um die Lücke zwischen theoretischem Wissen und praktischer Umsetzung zu schließen.
Beteiligt sind:

  • Bundesgremium der Versicherungsagenten
  • Fachverband Finanzdienstleister
  • Fachverband Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten

Die Reihe vermittelt praxisorientiertes Fachwissen, gibt strategische Orientierung und schafft rechtliche Handlungssicherheit.

Die Themen im Überblick

1. KI im Schadenmanagement

Referent: Martin Micko (COO, omni:us)
Automatisierte Prozesse im Schadenmanagement können Effizienz steigern, Kosten senken und die Kundenzufriedenheit erhöhen. Anhand konkreter Use Cases werden Implementierungsstrategien und messbare Effekte vorgestellt.

2. Der AI Act im Detail

Referent: MMag. Christian Pertl (Datenschutzbehörde)
Ein Überblick über die neue EU-KI-Verordnung mit Fokus auf Struktur, Pflichten und praxisorientierte Umsetzung der Compliance-Anforderungen.

3. KI in der Cybersecurity

Referenten: Dipl.-Ing. Bernhard Knasmüller & Dipl.-Ing. (FH) Robert Lamprecht (beide KPMG)
Analyse aktueller Bedrohungsszenarien wie Prompt Injections oder systemische Angriffe sowie Vorstellung wirksamer Präventions- und Schutzmaßnahmen.

4. Datenschutz vs. AI Act

Referent: MMag. Christian Pertl (Datenschutzbehörde)
Einblicke in das Spannungsfeld zwischen innovativen KI-Anwendungen und strengen Datenschutzvorgaben. Entwicklung praxisnaher Lösungsansätze mit den Teilnehmenden.

5. KI in der Anlageberatung

Referent: Dr. Raphael Toman LL.M. (NYU) (BRANDL TALOS)
Verantwortungsvoller Einsatz von Robo-Advisory, Chatbots und prädiktiven Analysen in Beratung und Analyse – unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

6. Abschlussdiskussion: Datenschutzethik in der Praxis

Referent: Max Schrems
Diskussion über ethische und regulatorische Implikationen von KI, Auswirkungen auf Grundrechte und Marktstrukturen.

Zielgruppe

Die Webinar-Reihe richtet sich an Entscheidungsträger und Fachkräfte, die an der Schnittstelle von Technologie, Regulierung und Kundenverantwortung arbeiten:

  • Geschäftsführer und Gewerbeinhaber
  • Mitarbeiter von Versicherungsvermittlern und -unternehmen
  • Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
  • Entscheider in der versicherungsnehmenden Wirtschaft

Nutzen für die Praxis

  • Praxisorientierung: Inhalte mit direkter Anwendbarkeit in Projekten und Prozessen
  • Fachliche Tiefe: Referenten mit ausgewiesener Expertise in Wirtschaft, Recht und Technik
  • Rechtssicherheit: Klarheit bei regulatorischen Anforderungen und deren Umsetzung
  • Qualifikationsnachweis: Anerkennung nach MiFiD, IDD und branchenspezifischen Lehrplänen

Termine und Anmeldung

Die Webinar-Reihe findet vom 09.09.2025 bis 19.11.2025 live und online statt.
Weitere Informationen und Anmeldung unter: https://www.meine-weiterbildung.at/kurs/62cadb39

Alle Events der Höher Akademie finden Sie hier.

Wiener Neustadt, 13.08.2025

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Die Berufshaftpflichtversicherung ist das Sicherheitsnetz für viele Selbstständige und Dienstleister – von Versicherungsvermittlern über Anwälte bis hin zu Finanzberatern. Doch was passiert im Schadensfall? Eine zentrale Rolle spielt dabei das sogenannte Versicherungsfallprinzip. Klingt abstrakt – ist aber entscheidend dafür, ob und wann ein Versicherer leistet. In diesem Beitrag erklären wir, was dahintersteckt und worauf Versicherungsnehmer achten sollten.

Was ist ein „Versicherungsfall“?

Ein Versicherungsfall liegt dann vor, wenn sich ein im Vertrag definiertes Risiko verwirklicht. Der Versicherer leistet also nur, wenn ein solcher Fall – auch „Trigger“ genannt – eintritt. Welches Ereignis konkret als Versicherungsfall gilt, hängt vom gewählten Versicherungsfallprinzip ab. Zwei Varianten sind dabei besonders relevant:

1. Verstoßprinzip (auch „Occurrence“ genannt)

Beim Verstoßprinzip zählt der Zeitpunkt des schädigenden Verhaltens – also wann der Fehler begangen wurde, unabhängig davon, wann der Schaden eintritt oder gemeldet wird.

Beispiel: Ein Versicherungsmakler berät seinen Kunden fehlerhaft beim Abschluss einer Gebäudeversicherung. Jahre später kommt es zu einem Brand – und die Deckung ist unzureichend. Versicherungsschutz besteht nur, wenn der Fehler (Verstoß) während der Laufzeit der Berufshaftpflicht begangen wurde.

Vorteil: Der Versicherungsnehmer kann sich auch Jahre nach Vertragsende noch auf den Schutz berufen – sofern der Fehler während der Vertragslaufzeit passiert ist.
Nachteil: Ohne ausreichend lange Nachdeckungsfristen besteht das Risiko, dass spätere Schäden nicht mehr gedeckt sind.

2. Claims-made-Prinzip

Hier ist entscheidend, wann der Anspruch gestellt wird – nicht wann der Fehler passierte. Der Versicherungsfall ist also die Geltendmachung des Anspruchs durch den Geschädigten.

Beispiel: Der gleiche Fall wie oben – aber bei einer Claims-made-Deckung muss der Schaden gemeldet werden, während der Versicherungsschutz besteht. Ist der Vertrag zu diesem Zeitpunkt abgelaufen, greift die Versicherung nicht, es sei denn, es wurde eine Nachmeldefrist vereinbart.

Vorteil: Klare zeitliche Abgrenzung der Haftung (unbegrenzte Vordeckung).
Nachteil: Ohne unbegrenzte Nachmeldefrist kann es zu Deckungslücken kommen.

Unterlassungsschäden – die stille Gefahr

Besonders tückisch sind sogenannte Unterlassungsschäden: Hier geht es nicht um aktives Fehlverhalten, sondern darum, dass eine gebotene Handlung unterlassen wurde (z. B. eine Versicherung nicht rechtzeitig beantragt). Der Verstoß gilt in solchen Fällen als an dem Tag begangen, an dem die Handlung spätestens hätte erfolgen müssen, um den Schaden zu verhindern.

Folge: Bei späten Schäden – etwa viele Jahre nach der versäumten Handlung – besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn der Vertrag zu diesem Zeitpunkt noch galt oder spezielle Nachdeckungsvereinbarungen getroffen wurden.

Was bedeutet das für Versicherungsnehmer?

  1. Nachdeckungsfristen prüfen:
    Eine zu kurze Nachmeldefrist kann bei Spätschäden zum Verlust des Versicherungsschutzes führen. Ideal: Eine unbegrenzte Nachmeldefrist.
  2. Versichererwechsel genau prüfen:
    Unterschiedliche Versicherungsfallprinzipien oder Deckungslücken können dazu führen, dass weder der alte noch der neue Versicherer leisten muss.
  3. Beratung einholen:
    Wer komplexe Risiken absichern muss – wie Versicherungsvermittler oder Anwälte – sollte auf eine spezialisierte Beratung setzen. Standardlösungen reichen oft nicht aus.

Fazit: Beide Prinzipien – wenn richtig gestaltet – bieten Schutz

Ob Verstoß- oder Claims-made-Prinzip: Beide Ansätze können solide Absicherung bieten – wenn sie fachgerecht angepasst werden. Wichtig ist, dass der Versicherungsschutz zeitlich lückenlos gestaltet ist und auch Unterlassungsschäden abdeckt. Nur so lässt sich das Risiko von Regressforderungen, Haftungsfällen oder unversicherten Spätschäden wirksam reduzieren.

Tipp für Versicherungsnehmer:
Lassen Sie Ihren bestehenden Versicherungsschutz regelmäßig überprüfen. Gerade bei langen Beratungszyklen – wie in der Finanz- und Versicherungsvermittlung – ist ein lückenloser, gut definierter Schutz unerlässlich.

Wiener Neustadt, 12.08.2025

Bildnachweis: envato

Das Versicherungsrecht ist eine komplexe Materie, insbesondere wenn es um die Abgrenzung und Bewertung der sogenannten wissentlichen Pflichtverletzung geht. Die wissentliche Pflichtverletzung stellt einen zentralen Begriff im Versicherungsrecht dar, vorwiegend in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte und ähnliche Berufsgruppen.

Diese Pflichtverletzung bezieht sich auf das bewusste Abweichen von gesetzlichen, vertraglichen oder beruflichen Verpflichtungen, was oftmals zu Schadensersatzforderungen führt.

Der folgende Artikel untersucht die rechtlichen Grundlagen, die Bedingungen und die praktischen Implikationen der wissentlichen Pflichtverletzung im Kontext der Haftpflichtversicherung. Problematisch und existenziell für die Deckung in der Haftpflichtversicherung wird es, wenn der vermeintlich Geschädigte die Schadenherbeiführung durch wissentliche Pflichtverletzung vorbringt.

Was das Gesetz sagt

Im österreichischen Recht ist der Begriff der wissentlichen Pflichtverletzung nicht explizit definiert, sondern wird durch die Interpretation der Gerichte und die Praxis bestimmt. Nach Art 4.I.3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVBV 1951) sowie Art B.7.1 der Besonderen Bedingungen bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche, die aus einer wissentlichen Pflichtverletzung resultieren.

Die versicherungsrechtliche und wirtschaftliche Bedeutung der wissentlichen Pflichtverletzung liegt darin, dass sie den Versicherungsschutz ausschließt. Dies schützt die Versichertengemeinschaft vor den Risiken, die aus bewusst rechtswidrigem Verhalten resultieren. Hier lesen Sie Beispiele für marktübliche Ausschlüsse in Versicherungsverbindung:

Artikel 4 Z 3 AVBV 1951
„wegen Schadenstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung;“

Artikel 4 Z 3 AVBV, Fassung 1999 iVm Art 7.1 Besondere Bedingungen zur Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung für Rechtsanwälte
„wegen Schadenstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung;“

„Art 4.1.3 AVBV wird ersetzt durch folgenden Wortlaut: Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Haftpflichtansprüche Dritter infolge wissentlichen Abweichens von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers.“

Artikel 8 Z 2.2 ABHV 2000 und EBHV 2000

„infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen für seine beruflichen Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften, sowie infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder dessen Bevollmächtigten oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.“

Artikel 8 Z 2.2 ABHV 2000 und EBHV 2000 idF 07/2012

„infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen für seine beruflichen Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften, sowie infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder dessen Bevollmächtigten oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.“

§ 4 Z 3 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung in Österreich, AVB-Ö-Ausgabe Jänner 2010

„wegen vorsätzlicher Schadensverursachung oder wegen Schäden durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.“

Artikel 8 Z 2.2 C_ABHV/EBHV

„infolge vorsätzlichen Zuwiderhandelns gegen für seine beruflichen Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften, sowie infolge vorsätzlichen Zuwiderhandelns gegen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder dessen Bevollmächtigten oder durch sonstige vorsätzliche Pflichtverletzung, soweit der schädigende Erfolg zumindest billigend in Kauf genommen wurde.“

Artikel 5 Z 2.1.2 AVB-A-Allgemein 2018-09

„infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen für seine beruflichen Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften, sowie infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder dessen Bevollmächtigten oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.“

Pkt 1.3.6.4 AVBV 2020

„Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schadenstiftung durch vorsätzliches Handeln (vgl. § 152 VersVG), wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Standesregeln oder Berufsausübungsnormen, Anweisung (Vorgaben) oder Bedingung des Machtgebers (Auftraggebers des Versicherungsnehmers) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung durch den Versicherungsnehmer, dessen Organe oder Repräsentanten oder Erfüllungsgehilfen.“

Voraussetzungen der wissentlichen Pflichtverletzung

Für die Annahme einer wissentlichen Pflichtverletzung genügt es, dass der Versicherungsnehmer seine Pflichtverletzung positiv gekannt hat und dass der Pflichtverstoß für den Schaden ursächlich war. Bedingter Vorsatz, also das bewusste Inkaufnehmen eines schädigenden Ereignisses, ist ausreichend. Es ist nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer die genauen Wortlaute der verletzten Vorschrift kannte; entscheidend ist das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Handlung.

Ein zentraler Punkt bei der Beurteilung einer wissentlichen Pflichtverletzung ist der Vorsatz. Dabei werden unterschiedliche Stufen des Vorsatzes unterschieden:

Direkter Vorsatz: Der Versicherungsnehmer handelt im Bewusstsein, dass sein Verhalten pflichtwidrig ist, und nimmt den Schaden billigend in Kauf.

Bedingter Vorsatz: Der Versicherungsnehmer erkennt die Möglichkeit eines Verstoßes und handelt dennoch. Schon diese Form des Vorsatzes genügt, um den Versicherungsschutz auszuschließen​.

Es ist nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer die genaue rechtliche Bedeutung seiner Handlung versteht. Es reicht aus, dass er sich der Rechtswidrigkeit seiner Handlung bewusst ist​.

Wer muss was beweisen?

Die Beweislast für das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung liegt beim Versicherer. Dieser muss nachweisen, dass der Versicherungsnehmer die Verletzung seiner Pflichten positiv gekannt hat. Indizienbeweise, wie der äußere Ablauf des Geschehens oder das Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes, können dabei herangezogen werden. So kann aus der Verletzung elementarer beruflicher Pflichten auf das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit geschlossen werden.

Bindung an Urteile: Was gilt im Haftungsprozess?

Wird in einem Haftungsprozess vom Anspruchsteller die wissentliche Pflichtverletzung bzw das Abweichen von Gesetzen oder Vorschriften vorgeworfen oder vom Gericht festgestellt, ist dies für die Entscheidung des Versicherers, ob Versicherungsschutz gegeben ist oder nicht, bindend, sodass sich der Versicherer auf den Deckungsausschluss berufen wird. Sollte festgestellt werden, dass keine wissentliche Pflichtverletzung vorlag, zum Beispiel durch Beschluss oder Urteil, hat der Versicherungsnehmer rückwirkend Anspruch auf Deckung. Bis zu diesem Zeitpunkt, muss der Versicherungsnehmer jedoch für alle Kosten aufkommen.

Vorwurf der Schadenherbeiführung durch wissentliche Pflichtverletzung und deren Rechtsfolgen

Wenn der vermeintlich Geschädigte dem Versicherungsnehmer vorwirft, Schaden durch wissentliche Pflichtverletzung oder sogar Vorsatz verursacht zu haben, muss die Beurteilung der Deckungsfrage auf dem geltend gemachten Anspruch und dem vom Geschädigten behaupteten Sachverhalt basieren. Dies gilt auch beim vorweggenommenen Deckungsprozess, wie vom OGH bestätigt wurde (OGH 24.04.2019, 7 Ob 142/18k).

Die wichtigste Konsequenz einer wissentlichen Pflichtverletzung ist der Verlust des Versicherungsschutzes. Das bedeutet, dass der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit wird. Dies ist eine Maßnahme, die sicherstellen soll, dass Versicherungsnehmer ihre vertraglichen Pflichten ernst nehmen und einhalten​.

Für Versicherungsnehmer kann dies bedeuten, dass sie im Schadensfall selbst für die entstandenen Kosten aufkommen müssen, was insbesondere bei hohen Vermögensschäden gravierende finanzielle Folgen haben kann.

Entlastung durch rechtmäßiges Alternativverhalten?

In bestimmten Fällen besteht für Versicherungsnehmer die Möglichkeit, sich zu entlasten, indem sie nachweisen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Diese sogenannte „rechtmäßige Alternativverhalten“-Klausel ist in speziellen Haftpflichtversicherungen, wie der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte, enthalten. Der Nachweis ist jedoch oft schwierig und erfordert eine umfassende Dokumentation sowie rechtliche Beratung.

Judikatur

In der Rechtsprechung finden sich zahlreiche Fälle, die die Konsequenzen einer wissentlichen Pflichtverletzung aufzeigen. Ein prominentes Beispiel ist ein Fall, in dem ein Anwalt eine Zahlung vornahm, ohne die rechtlichen Bedingungen ausreichend zu prüfen, obwohl ihm die Unregelmäßigkeiten bekannt waren. Die Gerichte entschieden, dass diese Pflichtverletzung wissentlich erfolgt war und der Versicherungsschutz entfiel​.

Auch in der Versicherungsvermittlung können wissentliche Pflichtverletzungen auftreten, z. B. wenn ein Vermittler vorsätzlich falsche oder unvollständige Informationen zu einem Produkt gibt, um eine Provision zu erzielen. In solchen Fällen kann der Versicherungsschutz verweigert werden, wenn ein Kunde aufgrund dieser Pflichtverletzung einen Schaden erleidet.

Hinweis: Ausgewählte Beispiele aus der Judikatur und Literatur finden Sie am Ende des Artikels.

So schützen Sie sich vor dem Deckungssausschuss

Um eine wissentliche Pflichtverletzung und deren Folgen zu vermeiden, sollten Versicherungsnehmer folgende Maßnahmen ergreifen.

Präventive Maßnahmen und Empfehlungen

  • Sorgfältige Dokumentation: Alle Handlungen und Entscheidungen sollten schriftlich festgehalten werden, um im Bedarfsfall nachweisen zu können, dass keine bewusste Pflichtverletzung vorlag.
  • Rechtsberatung einholen: Im Zweifelsfall sollte eine rechtliche Prüfung erfolgen, um sicherzustellen, dass alle Maßnahmen im Einklang mit den vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben stehen.
  • Regelmäßige Schulungen: Versicherungsnehmer sollten sich kontinuierlich über Änderungen in relevanten Gesetzen und Versicherungsbedingungen informieren.
  • Interne Kontrollen: Ein System zur Überprüfung der Einhaltung aller Pflichten kann helfen, wissentliche Pflichtverletzungen zu verhindern.

Bewusstsein schützt vor bösem Erwachen: Conclusio und Empfehlungen

Die wissentliche Pflichtverletzung ist ein zentraler Begriff im Haftpflichtversicherungsrecht, der dazu dient, die Grenzen des Versicherungsschutzes klar zu definieren und Versicherer vor vorsätzlich oder bewusst fahrlässigem Verhalten zu schützen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Praxis zeigen, dass eine differenzierte Betrachtung der Umstände und der Beweisführung notwendig ist, um eine wissentliche Pflichtverletzung festzustellen. Die juristische Praxis bietet dabei zahlreiche Beispiele, die die Bedeutung und die Anwendung dieses Begriffs verdeutlichen. Schon der Vorwurf einer Pflichtverletzung kann zum Verlust der Versicherungsdeckung führen, und so zu einem finanziellen Problem für den Versicherungsnehmer werden.

Ein umsichtiges Vertragsmanagement und die Einhaltung aller Obliegenheiten schützen nicht nur den Versicherungsschutz, sondern bewahren den Versicherungsnehmer vor finanziellen und rechtlichen Nachteilen.

OGH 24.04.2019, 7 Ob 142/18k

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20190424_OGH0002_0070OB00142_18K0000_000/JJT_20190424_OGH0002_0070OB00142_18K0000_000.html

OGH 19.2.2020, 7 Ob 161/19f

https://ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20200219_OGH0002_0070OB00161_19F0000_000/JJT_20200219_OGH0002_0070OB00161_19F0000_000.html

OGH 19.2.2020, 7 Ob 70/19y

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20200424_OGH0002_0070OB00206_19Y0000_000/JJT_20200424_OGH0002_0070OB00206_19Y0000_000.html

OGH 27.1.2021, 7 Ob 148/20w,

https://ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20210127_OGH0002_0070OB00148_20W0000_000/JJT_20210127_OGH0002_0070OB00148_20W0000_000.html

flOGH 5.5.2023, 09 CG.2021-299, PSR 2023/51

OGH 27.9.2023, 7 Ob 96/23b

https://ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20230927_OGH0002_0070OB00096_23B0000_000/JJT_20230927_OGH0002_0070OB00096_23B0000_000.html

Fachverband der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten, Versicherungsrechts-NEWS 11/2019, https://www.wko.at/oe/information-consulting/versicherungsmakler-schlichtungsstellen/versicherungsrechts-news-11-2019.pdf (Stand 08.07.2024), 8

Grubmann, VersVG9 III.2.9.4 Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung für RA Allgemeine Bedingungen für die Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung für Rechtsanwälte (Stand 1.7.2022, rdb.at)

Grubmann, VersVG9 III.2.9.2 AVBV Allgemeine Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschaden1) (Stand 1.7.2022, rdb.at)

OGH, Vorweggenommener Deckungsprozess in der Haftpflichtversicherung, https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/vorweggenommener-deckungsprozess-in-der-haftpflichtversicherung/ (Stand 08.07.2024)

Michtner, Bewusstes Zuwiderhandeln gegen behördliche Vorschriften und wissentliche Pflichtverletzung – durchsetzbare Risikoausschlüsse in der Haftpflichtversicherung?, versdb print 2024 H 13ff

VKI, Haftpflichtversicherung: vorweggenommener Deckungsprozess, https://verbraucherrecht.at/urteil-haftpflichtversicherung-vorweggenommener-deckungsprozess/4234?id=49&tx_ttnews%5Btt_news%5D=4418&cHash=X (Stand 08.07.2024).

Reisinger, Salficky, Haftpflichtversicherung: Trennungsprinzip, vorweggenommener Deckungsprozess, ZVers 2019, H 5, 265ff

Kriwanek, Tuma, Haftpflichtversicherung: Vorweggenommener Deckungsprozess, RdW 2019, H 8, 533ff

Vonkilch, Das Vorbringen des geschädigten Dritten im vorweggenommen Deckungsprozess, ZVers 2023 H 2, 46ff

 

Wiener Neustadt, 15.07.2025

Bildnachweis: envato

Mit Urteil vom 8. Mai 2025 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C‑697/23 eine richtungsweisende Entscheidung zur Anwendung der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung getroffen. Im Fokus stand die Frage, ob ein Online-Vergleichsdienst, der Versicherungsangebote mittels eines Benotungssystems darstellt, als vergleichende Werbung im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts einzustufen ist. Die Entscheidung betrifft nicht nur den Versicherungssektor, sondern entfaltet Signalwirkung für digitale Plattformen, die Informationen zu Leistungen anderer Unternehmen aufbereiten, ohne selbst als Anbieter dieser Leistungen aufzutreten.

Vorbringen der Klägerseite

Im Ausgangsverfahren machte ein Versicherungsunternehmen geltend, dass ein auf einer Vergleichsplattform eingesetztes System zur Vergabe sogenannter Tarifnoten unzulässig sei. Die Noten würden als vermeintlich objektive Bewertung dargestellt, obwohl sie tatsächlich ein Werturteil darstellten und damit nicht den Anforderungen an einen objektiven, relevanten und nachprüfbaren Produktvergleich gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG bzw. Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2006/114/EG genügten. Dies führe zu einer Irreführung der Verbraucher und stelle eine unzulässige vergleichende Werbung dar. Die Klägerseite begehrte Unterlassung und Schadensersatz.

Entgegnung der Plattformbetreiber

Die beklagte Plattform wies die Vorwürfe zurück. Sie argumentierte, dass sie selbst keine Versicherungsprodukte anbiete, sondern lediglich den Markt überblickbar mache und den Nutzenden die Möglichkeit gebe, Angebote auf Grundlage transparenter Bewertungskriterien zu vergleichen. Die vergebenen Noten beruhten auf einem Punktesystem, das objektive Parameter berücksichtige. Als reiner Vermittler sehe man sich nicht im Wettbewerb mit dem bewerteten Versicherungsunternehmen und könne daher nicht dem Regime der vergleichenden Werbung unterfallen.

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Der Europäische Gerichtshof stellte klar, dass die Richtlinie 2006/114/EG nur dann Anwendung findet, wenn ein Werbender als Mitbewerber im Sinne des Art. 2 Buchst. c anzusehen ist. Entscheidend ist dabei, ob zwischen dem Werbenden und dem erkennbar gemachten Unternehmen ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Im konkreten Fall verneinte der EuGH ein solches Verhältnis zwischen einem Vergleichsportal und einem Versicherungsunternehmen. Da das Portal selbst keine Versicherungsprodukte anbietet, sondern lediglich deren Merkmale darstellt und Nutzer über einen Vermittlungsmechanismus zu den Anbietern weiterleitet, fehlt es an der erforderlichen Substituierbarkeit der Leistungen. Das Vergleichsportal tritt nicht auf demselben Markt auf wie das Versicherungsunternehmen und kann damit nicht als Mitbewerber im Sinne der Richtlinie gelten.

Folglich unterliegt ein solcher Vergleichsdienst nicht den besonderen Voraussetzungen für zulässige vergleichende Werbung, solange er selbst keine Versicherungsleistungen anbietet. Auch die Nutzung eines Benotungssystems stellt in diesem Zusammenhang keine unzulässige Werbung dar, sofern der Plattform keine Anbieterrolle zukommt.

Begründung des Urteils

Die Begründung des EuGH fußt auf der präzisen Abgrenzung zwischen einem tatsächlichen Mitbewerber und einem reinen Vermittler. Da ein Vermittlungsdienst nicht selbst Versicherungsprodukte oder -dienstleistungen anbietet, besteht im konkreten Fall kein Wettbewerbsverhältnis im rechtlichen Sinne. Der Gerichtshof betonte ausdrücklich, dass die Anwendung der Richtlinie stets voraussetzt, dass der Werbende und der erkennbar gemachte Anbieter auf demselben Markt tätig sind und ihre Leistungen zumindest teilweise substituierbar sind.

Auswirkungen auf die Praxis

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs entfaltet erhebliche praktische Relevanz für die Regulierung und Bewertung von Online-Vergleichsportalen im Verhältnis zu Versicherungsunternehmen. Indem der Gerichtshof klargestellt hat, dass ein Vergleichsdienst, der selbst keine Versicherungsprodukte anbietet, im Verhältnis zu Versicherern nicht als Mitbewerber im Sinne der Richtlinie 2006/114/EG anzusehen ist, wird eine klare Trennlinie zwischen werblichem Wettbewerb und neutraler Vermittlungstätigkeit gezogen.

Damit bestätigt der Gerichtshof die Rolle digitaler Vermittlungsdienste, die sich durch das Angebot von Vergleichsinformationen und durch die technische Ermöglichung von Vertragsabschlüssen zwar in die Wertschöpfungskette einschalten, ohne jedoch selbst als Anbieter der beworbenen Produkte zu agieren. Gleichwohl bleibt es nationalen Gerichten weiterhin vorbehalten, im Einzelfall zu prüfen, ob das konkrete Geschäftsmodell tatsächlich keine Substituierbarkeit mit den Leistungen der bewerteten Anbieter aufweist.

Das Urteil im Volltext finden Sie hier: EuGH C-697/23.

Wiener Neustadt, 03.06.2025

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Am 06.01.2016 fällte das Landesgericht Wiener Neustadt ein Urteil (Geschäftszahl: 20 Cg 17/15h-18), das die Haftung eines Vermögensberaters bei der Empfehlung von Fremdwährungskrediten behandelte. Das Urteil zeigt, dass eine ausführliche und nachvollziehbare Beratungsdokumentation entscheidend sein kann, um im Streitfall erfolgreich zu sein. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der Berater seinen Aufklärungs- und Dokumentationspflichten nachgekommen war und ob die Ansprüche der Kläger bereits verjährt waren.

Inhalt der Klage

Die Kläger, ein Ehepaar ohne umfassende finanzielle Vorkenntnisse, forderten die Feststellung, dass der Beklagte für alle aus einer empfohlenen Finanzierungskonstruktion entstandenen Schäden haftet. Die Konstruktion beinhaltete Fremdwährungskredite in Schweizer Franken und Tilgungsträger in Form von Lebensversicherungen. Die Kläger argumentierten, sie seien nicht ausreichend über Risiken wie Wechselkurs- und Tilgungsträgerrisiken informiert worden und hätten sich auf die Beratung des Beklagten verlassen.

Vorbringen der Parteien

Klägerseite: Die Kläger machten geltend, dass die Risiken der empfohlenen Finanzierungsmodelle weder umfassend erklärt noch verständlich dargelegt worden seien. Sie hätten die Risiken nicht vollständig erkannt und die Kreditverträge im Vertrauen auf die Beratung des Beklagten unterzeichnet.

Beklagtenseite: Der Beklagte führte aus, dass er die Kläger sowohl schriftlich als auch mündlich ausreichend über die Risiken informiert habe. Zudem wies er darauf hin, dass die Ansprüche der Kläger bereits verjährt seien, da diese spätestens 2010 von den negativen Entwicklungen Kenntnis erlangt hätten.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Erstgericht wies die Klage ab, da keine Beratungsfehler nachgewiesen werden konnten. Die Beratungsunterlagen des Beklagten wurden als ausreichend und verständlich bewertet. Zudem stellte das Gericht fest, dass die Ansprüche verjährt waren, da die Kläger spätestens 2010 die negativen Entwicklungen erkannt haben mussten.

Entscheidung des LG Wiener Neustadt

Das Gericht urteilte, dass die Aufklärung des Beklagten über die Risiken hinreichend war. Es wurde festgestellt, dass die Kläger die Risiken verstanden und durch Unterzeichnung der Beratungsdokumente bestätigt hatten. Das Gericht argumentierte ferner, dass die Ansprüche der Kläger spätestens seit 2011 verjährt waren, da ihnen zu diesem Zeitpunkt die negativen Entwicklungen der Finanzierung bewusst waren.

Das Gericht betonte in seiner Begründung mehrere zentrale Aspekte:

Individuelle Beratungspflichten:

Der Umfang der Beratung hängt maßgeblich von der finanziellen Erfahrung und den individuellen Bedürfnissen der Kunden ab. Bei risikoreichen Produkten ist eine vollständige und verständliche Aufklärung unverzichtbar.

Ausführliche Dokumentation der Beratung:

Ein entscheidender Punkt für die Abweisung der Klage war die detaillierte Dokumentation der Beratungsinhalte. Der Beklagte hatte die Risiken des Finanzierungsmodells, einschließlich der Schwankungen bei Fremdwährungskrediten und Tilgungsträgern, ausführlich und schriftlich dargelegt. Die Unterzeichnung der Beratungsdokumente durch die Kläger wurde als Beweis dafür gewertet, dass sie die Informationen zur Kenntnis genommen und verstanden hatten.

Verjährung der Ansprüche:

Laut § 1489 ABGB beginnt die Verjährungsfrist, sobald der Geschädigte den Schaden und den Verantwortlichen kennt. Das Gericht stellte fest, dass die Kläger spätestens 2010 über die problematischen Entwicklungen informiert waren. Die Verjährung der Ansprüche wurde daher als gegeben angesehen.

Keine Beratungsfehler:

Das Gericht stellte klar, dass die negativen Entwicklungen der Finanzierungsmodelle auf bekannten Risiken beruhten, die den Klägern offengelegt worden waren. Der Beklagte habe keine Zusicherungen gemacht, die über die Risiken hinwegtäuschten.

Mitverschulden der Kläger:

Das Gericht betonte, dass die Kläger selbst eine Pflicht zur sorgfältigen Prüfung der Unterlagen hatten. Ein leichtfertiges Unterzeichnen der Dokumente könne nicht allein dem Berater angelastet werden.

Beweiswürdigung des Gerichts zu den Zeugenaussagen

Das Gericht stützte seine Beweiswürdigung auf die schriftlichen Dokumente und nahm eine umfassende Analyse der Zuverlässigkeit von mündlichen Aussagen vor. Es stellte fest, dass menschliche Erinnerungen insbesondere in lang andauernden und belastenden Situationen unzuverlässig werden können.

Der erkennende Richter führte aus, dass menschliche Erinnerungen nach so langer Zeit – in diesem Fall neun Jahre seit den streitgegenständlichen Gesprächen – durch wiederholtes Nachdenken und Besprechen unweigerlich verfälscht werden können. Menschen tendieren in solchen Situationen dazu, sich an das zu erinnern, was sie als günstig oder wünschenswert empfinden. Dies sei jedoch nicht als böse Absicht zu verstehen, sondern als unbewusster Prozess, der durch die emotionale Belastung und den Wunsch nach einem bestimmten Prozessergebnis verstärkt werde.

Das Gericht betonte ausdrücklich, dass diese Dynamik für beide Parteien gleichermaßen gelte. Es sei deshalb weder lebensnah noch glaubwürdig, wenn eine der Parteien behauptete, sich noch exakt an alle Details der mündlichen Gespräche erinnern zu können. Insbesondere Aussagen, die von einer Seite über das Fehlen oder die exakte Vermittlung bestimmter Inhalte gemacht wurden, bewertete das Gericht kritisch und zog sie nicht als entscheidungsrelevante Beweise heran.

Die einzige verlässliche Grundlage für die Beurteilung der Sachlage sah das Gericht in den schriftlich dokumentierten Beweisen. Die Kläger hatten auf Urkunden schriftlich bestätigt, die dort dokumentierten Risikohinweise zur Kenntnis genommen und verstanden zu haben. Das Gericht befand, dass diese Dokumente klar und verständlich formuliert waren. Der Beklagte habe durch diese „selbstgestrickten“ Aufklärungsbögen seine Beratungspflichten erfüllt, indem er Risiken wie Wechselkursverluste, Zinsänderungen und die Volatilität von Tilgungsträgern nachvollziehbar und übersichtlich darlegte.

Die schriftlichen Bestätigungen wurden als starkes Indiz dafür gewertet, dass die Kläger über die relevanten Risiken aufgeklärt worden waren. Das Gericht hielt außerdem fest, dass die Finanzprodukte keine übermäßige Komplexität aufwiesen und von Personen mit durchschnittlicher Bildung und Begabung verstanden werden konnten. Die Kläger hätten zudem wiederholt Mitteilungen des Beklagten erhalten, in denen die aktuellen Verluste detailliert aufgeführt wurden. Dies zeigte aus Sicht des Gerichts, dass die Kläger spätestens 2010 die Risiken des Finanzierungsmodells hätten erkennen können.

Abschließend unterstrich das Gericht, dass es nicht glaubwürdig gewesen wäre, wenn die Parteien versucht hätten, einen vollständigen und genauen Verlauf der Gespräche zu rekonstruieren. Aufgrund dieser Erwägungen stützte sich das Gericht primär auf die dokumentierten Nachweise und sah die Beratungsleistung des Beklagten als hinreichend an.

Zusammenfassung und Praxistipps

Das Urteil verdeutlicht, dass eine transparente und dokumentierte Beratung sowohl für Berater als auch für Kunden von entscheidender Bedeutung ist. Eine sorgfältige Dokumentation schützt Berater vor Haftungsansprüchen und hilft Kunden, fundierte Entscheidungen zu treffen.

Für Berater und Vermittler: Stellen Sie sicher, dass alle Risiken verständlich dokumentiert und von den Kunden bestätigt werden. Nutzen Sie klar strukturierte Beratungsprotokolle und bewahren Sie Nachweise der Aufklärung auf.

Für Kunden: Lesen Sie Beratungsunterlagen aufmerksam, klären Sie offene Fragen und holen Sie im Zweifel eine Zweitmeinung ein. Bewahren Sie alle relevanten Dokumente auf, um im Streitfall abgesichert zu sein.

Das Urteil wurde nicht im Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes nicht veröffentlicht.

Wiener Neustadt, 07.05.2025

Bildnachweis: envato