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Mit der Entscheidung 7 Ob 136/22h vom 25.01.2023 hat der Oberste Gerichtshof (OGH) klargestellt, dass ein Wiederholungstäterausschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Vertrauensschadenversicherung wirksam und rechtskräftig sein kann, selbst wenn die AGB nicht vom Versicherer selbst stammen. Dies wirft wichtige Fragen zur Auslegung und rechtlichen Einordnung solcher Vertragsklauseln auf.

Inhalt der Klage

Der Kläger, der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Österreich, hatte zugunsten seiner Mitglieder einen Vertrag über eine Vertrauensschadenversicherung mit den beiden Beklagten abgeschlossen. Ziel war es, Deckungslücken der gesetzlichen Pflichthaftpflichtversicherung in Fällen vorsätzlicher Schädigung zu schließen.

Ein Mitglied des Klägers, die Hausverwaltung einer GmbH, verursachte durch ihren Geschäftsführer einen Vermögensschaden, indem dieser anvertraute Verwaltungsguthaben missbrauchte. Der Kläger forderte von den Versicherern die Zahlung von 182 429 Euro, stieß jedoch auf Ablehnung. Die Beklagten beriefen sich auf den vertraglich vereinbarten Wiederholungstäterausschluss.

Vorbringen der Parteien

Kläger: Der Kläger argumentierte, dass der Schaden unter den Versicherungsschutz falle, da weder er noch die Hausverwaltung von den „Malversationen“ des Geschäftsführers gewusst hätten. Zudem sei der Wiederholungstäterausschluss unwirksam, da er gegen § 34a Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) verstoße. Der Kläger sah den Vertrag nicht nur zugunsten seiner Mitglieder, sondern auch zugunsten der geschädigten Eigentümergemeinschaften abgeschlossen.

Beklagte: Die Beklagten wandten ein, dass der Ausschluss ausdrücklich im Vertrag geregelt und wirksam sei. Sie wiesen darauf hin, dass der Kläger die Versicherung einzig im Interesse seiner Mitglieder abgeschlossen habe und diese somit die einzigen versicherten Parteien seien. Außerdem sei der Wiederholungstäterausschluss durch die Maklerin des Klägers in die Vertragsgestaltung eingebracht worden, weshalb Unklarheiten zu Lasten des Klägers gingen.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Erstgericht wies die Klage des Klägers ab. Es entschied, dass der Wiederholungstäterausschluss gemäß § 914 Allgemeine Gesetzbuch (ABGB) nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen sei. Da der Versicherungsvertrag eine Versicherung zugunsten der Mitglieder des Klägers darstellte, seien weder eigene Interessen des Klägers noch jene der geschädigten Dritten mitversichert. Zudem müsse das Wissen des Geschäftsführers der Hausverwaltung dieser selbst zugerechnet werden, weshalb der Risikoausschluss greife.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und entschied zugunsten des Klägers. Es argumentierte, dass der Wiederholungstäterausschluss nicht greife, da das Wissen des Geschäftsführers aufgrund einer Interessenkollision der Hausverwaltung nicht zugerechnet werden könne. Außerdem sei der Vertrag so auszulegen, dass die geschädigten Eigentümergemeinschaften als versicherte Personen anzusehen seien.

Entscheidung des OGH

Der OGH entschied zugunsten der Beklagten und stellte das Urteil des Erstgerichts, das die Klage abgewiesen hatte, wieder her. Die wesentlichen Begründungen lauteten:

Herkunft der AGB und individuelle Ausgestaltung 

Die AGB wurden von der Versicherungsmaklerin des Klägers erstellt und in die Verhandlungen eingebracht. Da den Beklagten Änderungsmöglichkeiten eingeräumt wurden, handelte es sich um einen individuell ausgehandelten Vertrag. Somit fanden die strengen Klauselkontrollmechanismen des § 915 ABGB keine Anwendung.

Wirksamkeit des Wiederholungstäterausschlusses 

Der Wiederholungstäterausschluss wurde als Risikoausschluss gewertet, da er den Versicherungsschutz von vornherein begrenzte. Diese Begrenzung sei weder von den Handlungen des Versicherungsnehmers abhängig noch unklar formuliert. Der OGH hob hervor, dass solche Risikoausschlüsse den Schutz des Versicherers legitim und rechtlich wirksam eingrenzen.

Zurechnung von Wissen 

Das Wissen des Geschäftsführers der geschädigten Hausverwaltung über seine eigenen Handlungen wurde dieser zugerechnet. Diese Zurechnung führte dazu, dass die Versicherer leistungsfrei waren.

Zusammenfassung und Praxistipp

Die Entscheidung des OGH verdeutlicht, dass AGB, die nicht vom Versicherer, sondern vom Versicherungsnehmer oder dessen Makler eingebracht werden, rechtlich als individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen betrachtet werden können. In solchen Fällen greift die Klauselkontrolle gemäß § 915 ABGB nicht. Diese Vorgehensweise birgt jedoch Risiken für den Versicherungsnehmer, da Unklarheiten zulasten des Verwenders gehen.

Praxistipp: Versicherungsnehmer und Versicherungsvermittler sollten sicherstellen, dass von ihnen eingebrachte AGB von einem spezialisierten Rechtsanwalt geprüft werden. Dies gilt besonders bei komplexen Verträgen wie Versicherungsverträgen. Eine fundierte rechtliche Prüfung kann potenzielle Streitigkeiten vermeiden und sicherstellen, dass die Vertragsbedingungen klar und wirksam sind.

Das Urteil im Volltext finden Sie hier: OGH 7 Ob 136/22h.

Wiener Neustadt, 07.01.2025

Bildnachweis: envato

Am 13.06.2019 fällte das Landesgericht Klagenfurt ein Urteil, das die Haftung von Versicherungsmaklern bei der Vermittlung von Krankenversicherungsverträgen beleuchtet. Der Fall betraf die Frage, ob ein Versicherungsmakler für unvollständige Informationen über den Gesundheitszustand eines Versicherungsnehmers und daraus resultierende Deckungsausschlüsse haftet. Die Klage wurde abgewiesen, da keine Pflichtverletzung des Maklers festgestellt werden konnte.

Inhalt der Klage

Der Kläger, ein Arbeiter, forderte von der beklagten Versicherungsmaklergesellschaft Schadensersatz in Höhe von 3 963,47 Euro sowie die Feststellung einer Haftung für zukünftige Kosten, die durch Deckungsausschlüsse in seinem Krankenversicherungsvertrag entstehen. Hintergrund war die Ablehnung einer Kostenübernahme durch die Wiener Städtische Versicherung AG aufgrund nicht offengelegter Vorerkrankungen der Wirbelsäule.

Vorbringen der Parteien

Klageseite: Der Kläger argumentierte, der Versicherungsmakler habe es absichtlich unterlassen, relevante medizinische Unterlagen an den Versicherer weiterzuleiten, um eine höhere Prämie zu vermeiden. Zudem sei er falsch über die Deckung informiert worden.

Beklagtenseite: Die beklagte Partei wies darauf hin, dass der Makler eigenständig tätig war und keine Pflichtverletzung vorlag. Der Kläger habe keine relevanten Gesundheitsinformationen angegeben, weshalb keine Veranlassung bestand, diese zu überprüfen.

Vorbringen des Nebenintervenientin: Der Nebenintervenient, ein selbstständiger Versicherungsmakler und Sub-Makler der beklagten Versicherungsmaklerin, betonte, dass er aufgrund eines Kooperationsvertrags für diese tätig wurde. Er habe bei der Antragstellung alle Angaben des Klägers korrekt und nach bestem Wissen weitergeleitet. Es habe keinen Anlass gegeben, an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der Aussagen des Klägers zu zweifeln. Er bestritt entschieden, jemals eine verbindliche Zusage hinsichtlich der Kostenübernahme gemacht zu haben. Zudem stellte er klar, dass er nicht als Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei tätig war, sondern im Rahmen des Kooperationsvertrages handelte.

Entscheidung des Gerichtes

Das Gericht betonte, dass die Haftung nach § 1313a Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) maßgeblich davon abhängt, ob ein Gehilfe mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten tätig wird. Es stellte fest, dass der Nebenintervenient als ‚Sub-Makler‘ im Rahmen eines Kooperationsvertrages für die beklagte Versicherungsmaklerin tätig war und damit in den Risikobereich der beklagten Partei fiel.

Nach den Grundsätzen der Erfüllungsgehilfenhaftung haftet ein Geschäftsherr grundsätzlich für das Verhalten eines Gehilfen, auch wenn dieser selbstständig tätig ist, solange der Gehilfe in den Pflichtenkreis des Geschäftsherrn eingebunden ist. Das Gericht führte aus, dass diese Haftung jedoch voraussetzt, dass der Gehilfe eine Pflichtverletzung begeht. Im vorliegenden Fall konnte kein Verschulden des Nebenintervenienten festgestellt werden. Die Beweisaufnahme zeigte, dass der Nebenintervenient die Angaben des Klägers korrekt weitergeleitet hatte und keine rechtlichen Verpflichtungen bestanden, darüber hinausgehende Nachforschungen anzustellen. Ebenso war er nicht befugt, verbindliche Deckungszusagen zu erteilen.

Das Gericht hob hervor, dass die beklagte Partei nicht haftbar gemacht werden konnte, da die Anzeigepflicht gemäß § 16 Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) eindeutig beim Versicherungsnehmer liegt. Diese Anzeigepflicht verlangt, dass alle relevanten Umstände, die für die Übernahme der Versicherungsdeckung von Bedeutung sind, vollständig und wahrheitsgemäß angegeben werden. Der Kläger hatte diese Pflicht verletzt, indem er wesentliche Vorerkrankungen nicht angegeben hatte. Die Ablehnung der Kostenübernahme durch den Versicherer war daher ausschließlich auf diese Pflichtverletzung zurückzuführen.

Beweiswürdigung des Gerichtes

Das Gericht legte in seiner Beweiswürdigung dar, dass der Kläger weder glaubhaft nachweisen konnte, relevante medizinische Unterlagen bereits vor Vertragsabschluss übergeben zu haben, noch dass der Makler diese absichtlich zurückgehalten hätte. Der Makler wirkte glaubwürdig und hatte nachweislich keinen Anlass, die Angaben des Klägers anzuzweifeln.

Auch die Behauptung, der Makler habe eine Kostenübernahme für die Sonderklasse zugesagt, konnte nicht bestätigt werden. Vielmehr legte das Gericht dar, dass der Kläger in einer stressbedingten Situation die Aussagen des Maklers möglicherweise missverstanden haben könnte.

Die Beweisaufnahme zeigte, dass der Kläger selbst die Anzeigepflichten nicht erfüllt hatte und dass der Makler keine Verletzung seiner Beratungspflichten begangen hatte.

Zusammenfassung und Praxistipp

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der Anzeigepflicht durch Versicherungsnehmer und die eingeschränkte Nachforschungspflicht von Versicherungsmaklern (siehe dazu auch den Blog-Beitrag Besteht Nachforschungspflicht für Versicherungsvermittler?).

Für Versicherungsnehmer ist es entscheidend, alle Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß zu beantworten, um spätere Deckungsausschlüsse oder Vertragsänderungen zu vermeiden. Makler sollten klar dokumentieren, welche Informationen sie erhalten und weiterleiten, um Missverständnisse zu vermeiden.

Das Urteil wurde im Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes nicht veröffentlicht.

Wiener Neustadt, 18.03.2025

Bildnachweis: envato

Am 24.04.2020 entschied das Handelsgericht Wien über eine Klage im Zusammenhang mit einer Organhaftpflichtversicherung. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der Versicherer zur Deckung bestimmter Verteidigungskosten und Haftpflichtansprüche verpflichtet war. Die Entscheidung gewährt wertvolle Einblicke in die rechtliche Einordnung von Vertragsklauseln und Obliegenheiten, insbesondere im Hinblick auf Risikoausschlüsse und die Anzeigepflichten der Versicherungsnehmer.

Inhalt der Klage

Die klagende Partei, ein Geschäftsführer einer GmbH, forderte eine Zahlung von insgesamt 398 962,54 Euro sowie die Feststellung der Deckung aus einer Organhaftpflichtversicherung. Der Streit entstand aus zwei Ermittlungsverfahren, die sich auf vermeintliche Pflichtverletzungen in der Geschäftsführung bezogen. Der Kläger machte geltend, dass der Versicherungsvertrag umfassenden Deckungsschutz für solche Fälle bieten sollte.

Vorbringen der Parteien

Die klagende Partei argumentierte, dass die Versicherung für die Verteidigungskosten in Strafverfahren Deckung gewähren müsse, da diese Verfahren unter die Klauseln des Versicherungsvertrages fielen. Zudem wurde betont, dass der Versicherer Kenntnis aller relevanten Umstände gehabt habe und die Ablehnung der Deckung treuwidrig sei. Die Kombination aus „Claims-made“-Deckung und Ausschluss der Rückwärtsdeckung sei unüblich und benachteilige den Versicherungsnehmer.

Auf der anderen Seite bestritt die beklagte Partei, die Versicherung die Deckungspflicht und verwies auf verschiedene Risikoausschlüsse im Vertrag, darunter Vorsatzausschlüsse und Verpflichtungen zur Anzeigepflicht. Sie machte geltend, dass der Kläger wesentliche gefahrenerhöhende Umstände nicht offengelegt habe.

Die Nebenintervenientin, die als Versicherungsagentin der Beklagten auftrat, argumentierte, dass sie keine eigenständige Verantwortung trage, da sie im Auftrag der Beklagten handelte. Sie bestritt jegliche Aufklärungspflichten gegenüber der klagenden Partei und verwies darauf, dass der Kläger als Versicherungsmakler selbst über die relevanten Versicherungsbedingungen informiert sein müsse. Daraus folge, dass auch keine erweiterten Aufklärungspflichten bestanden.

Weiterhin wurde festgestellt, dass der Kläger trotz der Kenntnis aus einem großen Anlegerprozess gegenüber der Nebenintervenientin falsche Angaben gemacht hatte, etwa durch das Verschweigen von Kundenbeschwerden und Vorwürfen des pflichtwidrigen Organhandelns. Diese Versäumnisse sowie der Vorsatz, Beweislagen zu manipulieren, wurden als gravierende Obliegenheitsverletzungen gewertet. Die Nebenintervenientin argumentierte, dass bei wahrheitsgemäßen Angaben keine D&O-Versicherung vermittelt worden wäre. Sie sah dies als entscheidenden Grund für die Ablehnung der Deckung durch die Beklagte.

Entscheidung des Gerichtes

Das Handelsgericht Wien wies die Klage ab. Es wurde festgestellt, dass die Klauseln zur Vorsatzausschlussregelung wirksam und eindeutig formuliert waren. Dabei wurde nach § 914 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) der erklärte Wille der Parteien zur Vertragsauslegung herangezogen, der in diesem Fall die Gültigkeit der Ausschlussklauseln untermauerte.

Zusätzlich stellte das Gericht fest, dass der Kläger vorvertraglich nicht ausreichend über gefahrenerhöhende Umstände informiert hatte. Diese Verletzung der Anzeigepflichten führte zur Leistungsfreiheit der Versicherung. Die Kombination aus „Claims-made“-Deckung und dem Ausschluss der Rückwärtsdeckung wurde als üblich und nicht überraschend eingestuft.

Hinsichtlich der Rolle der Nebenintervenientin kam das Gericht zu dem Schluss, dass diese als Agentin der Beklagten keine eigenständigen Aufklärungspflichten gegenüber dem Kläger hatte. Ihre Verantwortung beschränkte sich auf die Vermittlung des Vertrages, und unklare oder fehlerhafte Angaben des Klägers wurden ihr nicht zugerechnet.

Beweiswürdigung des Gerichts

Das Gericht hob hervor, dass es keine hinreichenden Beweise dafür gab, dass der Kläger die Nebenintervenientin oder die Beklagte über den Anlegerprozess informierte. Besonders die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Klägers wurde in Frage gestellt, da diese widersprüchlich und teils unplausibel erschienen. Ein Beispiel dafür war die Diskrepanz zwischen seiner Behauptung, die Versicherungsnehmerin habe die Ausstellung der Deckungsbestätigung erst im Januar 2013 erhalten, und der tatsächlichen Ausstellung im Juli 2012. Darüber hinaus wurde betont, dass die Nebenintervenientin keine Anhaltspunkte hatte, die sie zu einer genaueren Prüfung hätten veranlassen können, da weder E-Mail-Korrespondenzen noch andere schriftliche Belege zur behaupteten Information über den Eurofinanz-Prozess vorlagen.

Das Gericht betrachtete dies als Beleg für die Unplausibilität der Darstellung des Klägers. Insgesamt bewertete es die Aussage des Geschäftsführers der Nebenintervenientin als glaubwürdiger, insbesondere in Bezug auf die Negativfeststellung zur Versicherbarkeit bei einer rechtzeitigen Meldung des Anlegerverfahrens. Diese Aussage wurde durch die fehlende Dokumentation des Klägers untermauert, die es nahelegte, dass keine ausreichenden Informationen an die Versicherer weitergegeben worden waren. Diese Feststellung trug wesentlich zur Leistungsfreiheit der Beklagten bei.

Zusammenfassung und Praxistipp

Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung klar formulierter Vertragsklauseln und die Einhaltung von Anzeigepflichten in Versicherungsverträgen. Im Zweifelsfall ist es ratsam, rechtliche Beratung einzuholen, um mögliche Deckungslücken zu vermeiden. Ein verständliches Vertragsmanagement und transparente Kommunikation mit dem Versicherer sind essenziell, um den Versicherungsschutz zu sichern.

Tipps für Versichungsnehmer

Für Versicherungsnehmer, insbesondere in leitenden Positionen, empfiehlt es sich, vor Vertragsabschluss sämtliche gefahrenerhöhende Umstände offen zu legen. Die Vertragsbedingungen sollten im Hinblick auf Risikoausschlüsse und Obliegenheiten sorgfältig geprüft werden.

Tipps für Versicherungsvermittler

Für Versicherungsvermittler ergeben sich ebenfalls klare Lehren aus diesem Urteil. Es ist dringend davon abzuraten, Fragebögen im Namen des Versicherungsnehmers auszufüllen. Der Versicherungsnehmer sollte diese stets selbst und vollständig ausfüllen.

Vermittler sollten es zudem vermeiden, vermeintliche Tipps oder Formulierungshilfen anzubieten, die missverständlich sein könnten. Es ist ratsam, die vom Versicherungsnehmer ausgefüllten Unterlagen unverändert und eins zu eins an den Versicherer weiterzuleiten. Falls der Versicherer Rückfragen hat, sollten diese inhaltstreu und ohne eigenmächtige Ergänzungen an den Versicherungsnehmer weitergeleitet werden.

Ebenso sollten die Antworten des Versicherungsnehmers genau in dieser Form dem Versicherer übermittelt werden. Jegliche eigenständige Ergänzung oder Änderung der Unterlagen durch den Vermittler birgt erhebliche Risiken und sollte unterlassen werden.

Das Urteil wurde im Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes nicht veröffentlicht.

Wiener Neustadt, 07.01.2024

Bildnachweis: envato

Eine Entscheidung des OGH vom 05.12.2024, 8 Ob 130/24m:

Nach dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt forderte der Kläger, ein Verbraucher ohne Erfahrung mit Wertpapieren oder Finanzinstrumenten, von der beklagten Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Prospektkontrollor sein Investment zuzüglich der Zinsen eines Alternativinvestments Zug um Zug gegen die Übertragung der Rechte aus seiner unerwünschten Veranlagung. Hilfsweise wurde auch die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden des Klägers aufgrund ihres rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, der Unterlassung der pflichtgemäßen Kontrolle des Kapitalmarktprospekts der Emittentin gefordert.

Der Kläger hatte im Jahr 2019 auf Basis dieses Kapitalmarktprospekts ein Nachrangdarlehen gezeichnet. Nach seinem Vorbringen befanden sich unvollständige und fehlerhafte Angaben im Prospekt, das zuvor von der Beklagten überprüft worden war. Die Beklagte habe bei der Prospektkontrolle grob fahrlässig gehandelt, indem sie die Richtigkeit des Prospekts nicht ordnungsgemäß geprüft hat, was schlussendlich zu einer falschen Anlageentscheidung durch den Kläger geführt habe.

Die Beklagte wies die Vorwürfe zurück: Sie habe ihre Pflichten ordnungsgemäß erfüllt und lediglich eine formelle Kontrolle des Prospekts vorgenommen, ohne für die inhaltliche Richtigkeit verantwortlich zu sein. Der Kläger selbst trage Verantwortung für seine Anlageentscheidung, er habe auf die Empfehlungen seines Beraters und nicht auf den von ihm nicht einmal gelesenen Prospekt vertraut.

Ohne Kausalität des Prospekts für die Anlageentscheidung keine Prospekthaftung

Das Erstgericht wies die Klage deshalb ab, da der Kläger nicht nachweisen konnte, dass der Prospekt oder sein Fehler darin irgendeinen Einfluss auf seine Anlageentscheidung hatten.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil und stellte fest, dass der Kläger nicht den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen dem fehlerhaften Prospekt und seinem Schaden darlegen konnte. Falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben müssen für eine Haftung ausschlaggebend für die Zeichnung des Anlegers gewesen sein.

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH (RS0107352 u.a.) bestehen Prospekthaftungsansprüche, wenn ein Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewogen wird. Es handelt sich dabei um eine typisierte Vertrauenshaftung aus Verschulden bei Vertragsabschluss. Der Prospekt bildet im Regelfall die Grundlage für den Beteiligungsentschluss des geschädigten Anlegers, weshalb er sich grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit verlassen dürfen soll. Dass der Anleger den Prospekt selbst gelesen haben muss, wird nicht gefordert.

Im Ergebnis gab der Oberste Gerichtshof der Revision des Klägers statt und hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf.

Das Verfahren wurde an das Erstgericht zurückverwiesen, um herauszufinden, ob sich der Kläger im Vertrauen auf den Prospekt tatsächlich zum Kauf entschloss und ob die zur Zeichnung führende Kaufempfehlung des Beraters auf falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben (RS0107352) oder bloß auf andere Quellen gegründet war.

Erst in einem nächsten Schritt ist nach Ansicht des OGH zu prüfen, ob und in welcher Weise den Beklagten konkret eine Verletzung der ihn treffenden (Prospekt-) Kontrollpflichten anzulasten wäre.

Zusammengefasst wird mit dieser Entscheidung einmal mehr die Tragweite von Entscheidungen mündiger Anleger zu Gunsten des Anlegerschutzes erweitert. Es ist nicht notwendig, dass der Anleger die Grundlage, auf die er seine Anlageentscheidung stützt, selbst gelesen haben muss. Vielmehr reicht es aus, wenn sein Berater sich mit den Entscheidungsgrundlagen – nämlich dem Prospekt – auseinandergesetzt hat und die daraus vermeintlich rezitierten Angaben des Beraters zur Anlageentscheidung des Anlegers geführt haben. Die Anforderungen an die Kausalität bei Prospekthaftungsfällen dürften damit etwas zu Gunsten des Anlegers erleichtert sein, wenngleich die Verantwortung des Anlageberaters damit in den Vordergrund gerückt wird. Eine Denkweise, die wir vom OGH schon bei der Haftung des Abschlussprüfers kennengelernt haben (4 Ob 145/21h).

Nichtsdestotrotz zeigt diese Entscheidung einmal mehr die Komplexität der Prospekthaftungsansprüche auf, da auch die Feststellung, dass unvollständige oder fehlerhafte Angaben im Prospekt, kausal für eine Fehlentscheidung des Anlegers ist, hohe Anforderungen an die Beweisführung mit sich bringt.

Fazit

Im Ergebnis muss der Anleger den Prospekt zwar nicht selbst gelesen haben, aber dennoch im Vertrauen auf den ihm – wie immer zugegangenen Inhalt des Prospektes – seine Veranlagungsentscheidung getroffen haben.  Erst dann muss man prüfen, ob eine Pflichtverletzung des Prospektprüfers hinsichtlich des Sachverhalts, der zur Veranlagung durch den Anleger geführt hat, überhaupt vorliegt und zuletzt, ob diese dem Prüfer auch vorzuwerfen ist.

Wien, 11.02.2025

Autoren: Mag. Ulrich Walter ist Kanzleipartner bei Neumayer & Walter Rechtsanwälte KG, Mag. Dominique Perl ist derzeit Rechtsanwaltsanwärterin bei Neumayer & Walter Rechtsanwälte KG und wird im Februar 2025 als Rechtsanwältin angelobt.

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Im digitalen Zeitalter ist die Transparenz bei Verbraucherrechten essenziell. Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 26.09.2024 schafft Klarheit in Bezug auf die Anforderungen an Kündigungsmöglichkeiten auf Webseiten.

Sachverhalt

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen verklagte ein Energieunternehmen wegen mangelhafter Kündigungsmöglichkeiten auf seinen Online-Portalen. Es fehlten eindeutige „Kündigungsschaltflächen“, die eine klare Kündigung per Knopfdruck ermöglichen sollten.

Vorbringen der Kläger

Der Kläger machte geltend, dass die Webseiten der Beklagten gegen § 312k Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstoßen. Es fehlten Hinweise auf eine Online-Kündigungsmöglichkeit auf dieser, und die Beschriftung „Kündigungsabsicht abschicken“ sei nicht ausreichend eindeutig. Er forderte eine unmissverständlich beschriftete Schaltfläche wie „jetzt kündigen“, um sicherzustellen, dass Verbraucher über die rechtlichen Folgen ihrer Handlungen aufgeklärt sind.

Erwiderung der Beklagten

Die Beklagte argumentierte, dass Verbraucher, die Verträge über eine Webseite abschließen, im Regelfall direkt über ihre eigene Webseite kündigen würden. Sie verteidigte die Formulierung „Kündigungsabsicht abschicken“ als ausreichend und betonte, dass eine Kündigung eine einseitige Willenserklärung sei. Zudem wies sie die Forderungen des Klägers zurück und hielt die Formulierungen und Hinweise auf ihren Webseiten für gesetzeskonform.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht entschied zugunsten der Verbraucherzentralen. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Beschriftung „Kündigungsabsicht abschicken“ nicht die nötige Eindeutigkeit aufweist, die § 312k Abs 2 Satz 3 Z 2 BGB erfordert. Diese Formulierung könne irreführend wirken, da sie nicht klar signalisiert, dass die Betätigung der Schaltfläche unmittelbare Rechtsfolgen nach sich zieht. Verbraucher könnten meinen, dass damit nur eine Kündigungsabsicht bekundet werde, anstatt die Kündigung endgültig zu erklären. Das Gericht hob hervor, dass der gesetzlich vorgeschriebene Wortlaut oder eine gleichwertig klare Formulierung verwendet werden müsse, um die Rechtsklarheit zu gewährleisten.

Zudem stellte das Gericht fest, dass Unternehmen auch dann eine Kündigungsschaltfläche bereitstellen müssen, wenn Verträge über Drittseiten abgeschlossen werden. Dies sichert, dass der Verbraucher an jedem Punkt des Vertragsabschlusses auch eine einfache Kündigungsmöglichkeit hat. Die Pflicht zur Bereitstellung der Schaltfläche kann nicht nur auf die eigene Webseite beschränkt werden.

Folgen für Online-Auftritte

Unternehmen, die Verträge online anbieten, müssen sicherstellen, dass ihre Webseiten den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Dazu gehört eine unmissverständlich beschriftete Kündigungsschaltfläche („jetzt kündigen“) und die Verfügbarkeit dieser Funktionalität auf allen relevanten Plattformen. Ein Verstoß kann erhebliche Ordnungsgelder oder andere Sanktionen nach sich ziehen.

Dieses Urteil betont die Notwendigkeit klarer Formulierungen und intuitiver Verbraucherführung in digitalen Prozessen. Anpassungen in Online-Auftritten sind entscheidend, um den Anforderungen gerecht zu werden und potenzielle Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Link zum Urteil: OLG Hamburg vom 26.09.2024, 5 UKI 1/23

In Österreich sind beim Online-Auftritt unter anderem folgende Gesetze zu beachten:

Wiener Neustadt, 09.01.2025

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