Der aktuelle D&O-Report von Allianz Commercial zeigt sehr deutlich: Für Geschäftsführer, Vorstände und Beiräte ist das Umfeld nochmals anspruchsvoller geworden. Geopolitische Konflikte, steigende Insolvenzen, neue Regulierung und technische Entwicklungen wie künstliche Intelligenz (KI) führen dazu, dass Managemententscheidungen heute schneller vor Gericht landen können als früher.
In diesem Beitrag erfahren Sie,
- welche Hauptrisiken der Bericht hervorhebt,
- warum das nicht nur börsennotierte Konzerne, sondern gerade auch den Mittelstand betrifft,
- und worauf Sie als Organ einer Gesellschaft bei Ihrer D&O-Absicherung achten sollten.
Was ist die D&O-Versicherung überhaupt?
Die D&O-Versicherung – oft auch „Managerhaftpflicht“ genannt – schützt Organe und leitende Angestellte vor den finanziellen Folgen von Pflichtverletzungen in Ausübung ihrer Tätigkeit.
Typische Beispiele sind strategische Fehlentscheidungen, fehlerhafte oder verspätete Informationen an Gesellschafter, Aufsichtsrat oder Behörden, Verstöße gegen Gesetze, Verordnungen oder interne Richtlinien.
Wird ein Organ persönlich in Anspruch genommen, übernimmt die D&O – im Rahmen der Bedingungen – Verteidigungskosten und Schadenersatzansprüche. Damit schützt sie das Privatvermögen der handelnden Personen und kann zugleich die Bilanz des Unternehmens entlasten.
Warum ist die D&O-Versicherung gerade jetzt so wichtig?
Der Allianz-Report zeigt, dass sich mehrere Risikofelder überlagern:
Steigende Unternehmensinsolvenzen: Weltweit nehmen die Firmenpleiten zu; besonders betroffen sind Branchen wie Immobilien, Bau, Tourismus und Konsumgüter. Insolvenzen führen erfahrungsgemäß häufig zu D&O-Ansprüchen, etwa durch Kreditgeber oder Gesellschafter.
Volatile geopolitische Lage: Kriege, Handelssanktionen und politische Spannungen führen zu Lieferkettenproblemen, zusätzlichen Kosten und rechtlichen Fragen – und damit zu möglichen Vorwürfen gegen das Management.
Schärfere Aufsicht & mehr Sammelklagen: Behörden und Gerichte prüfen Unternehmensverhalten intensiver. Sammelklagen nehmen nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und Australien zu.
Digitalisierung & KI: Cyberangriffe, Datenschutzvorfälle und der Umgang mit künstlicher Intelligenz schaffen neue Haftungsfragen.
Besonders interessant: Laut Allianz steigt die Nachfrage nach D&O-Versicherungen im deutschsprachigen Mittelstand deutlich – also bei Unternehmen, die bisher oft davon ausgingen, dass D&O eher ein „Großkonzern-Thema“ sei.
Die wichtigsten Risikobereiche im Überblick
- Insolvenzen: Haftungsfalle in wirtschaftlich schwierigen Zeiten
Steigende Zinsen, hohe Kosten und ein schwächeres Wachstum setzen viele Unternehmen unter Druck. Allianz erwartet weltweit anhaltend hohe oder sogar weiter steigende Insolvenzzahlen.
Für Organmitglieder bedeutet das Sanierungsentscheidungen (zB Finanzierungsrunden, Kostensenkungen, Verkauf von Unternehmensteilen) werden im Nachhinein kritisch geprüft. Die Insolvenzantragspflichten sind in vielen Rechtsordnungen streng – wer zu spät reagiert, riskiert persönliche Haftung. Die Kommunikation mit Banken, Investoren und Lieferanten kann später als irreführend oder unvollständig gewertet werden.
Gerade im Mittelstand, wo viel an wenigen Schlüsselpersonen hängt, sind sauber dokumentierte Entscheidungen und ein aktueller D&O-Schutz entscheidend.
- Geopolitik & Sanktionen: Risiko jenseits klassischer Märkte
Der Allianz-Bericht spricht von einer „febrilen“ geopolitischen Landschaft: Kriege, Handelskonflikte und Spannungen zwischen großen Wirtschaftsräumen führen zu Lieferkettenstörungen, Betriebsunterbrechungen und erhöhtem regulatorischen Druck.
Haftungsrelevant wird es, wenn Sanktionen nicht oder falsch umgesetzt werden, Geschäfte in politisch instabilen Regionen ohne angemessenes Risikomanagement fortgesetzt werden, geopolitische Entwicklungen im Risikobericht oder in Kapitalmarktinformationen verharmlost oder übersehen werden.
Daraus folgt: Geopolitik ist heute Chefsache – und gehört in Risikoberichte, Compliance-Strukturen und Aufsichtsgremien.
- Künstliche Intelligenz: Von „AI-Washing“ bis Datenschutz
Viele Unternehmen setzen auf KI, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig warnt Allianz vor neuen Haftungsrisiken:
„AI-Washing“: Wer gegenüber Investoren, Kunden oder Öffentlichkeit übertreibt, wie „intelligent“ oder innovativ die eigene Lösung ist, kann sich dem Vorwurf irreführender Angaben aussetzen – mit der Gefahr von Sammelklagen, insbesondere wenn Wertpapierkurse betroffen sind.
Fehlentscheidungen durch KI („Halluzinationen“): KI-Systeme können falsche oder verzerrte Ergebnisse liefern. Trifft das Management Entscheidungen ausschließlich darauf gestützt, kann das später kritisch werden.
Datenschutz und Urheberrecht: Die Nutzung von Trainingsdaten, Quellcode und personenbezogenen Daten kann zu erheblichen Bußgeldern und Reputationsschäden führen, wenn Regeln verletzt werden.
Der Report empfiehlt, dass Aufsichtsgremien aktiv in die Governance von KI einbezogen werden, und klare Prozesse, Zuständigkeiten und Kontrollen eingerichtet sind.
- Cyber & Datenschutz: IT-Risiken werden zur Managerhaftung
Cyberangriffe, technische Störungen und Datenschutzverstöße zählen seit Jahren zu den wichtigsten Unternehmensrisiken – und schlagen immer häufiger auch auf die persönliche Haftung durch.
Aus D&O-Sicht besonders kritisch unzureichende IT-Sicherheitsmaßnahmen, fehlender oder mangelhafter Notfall- und Wiederanlaufplan, Nichtbeachtung von Regulierungen wie NIS-Richtlinie, DORA oder Datenschutzvorgaben, zu späte oder unvollständige Information betroffener Kunden, Aufsichtsbehörden oder Investoren.
Hier greifen häufig Cyber-Versicherung und D&O-Deckung ineinander – erstere für Sach- und Betriebsunterbrechungsschäden, letztere für die persönliche Haftung der Entscheider.
- ESG, „Forever Chemicals“ & andere Emerging Risks
Allianz nennt in ihren Reports immer wieder Umwelt- und Gesellschaftsthemen als wachsende Haftungsquelle: etwa Klimarisiken, Lieferketten-Pflichten und sogenannte „Forever Chemicals“ (PFAS), bei denen weltweit hohe Sanierungs- und Entschädigungskosten diskutiert werden.
Für Manager bedeutet das, dass ESG-Themen nicht nur „Imagefragen“ sind, sondern zu straf- und zivilrechtlichen Verfahren führen können. Die möglichen Vorwürfe reichen von Greenwashing bis zur unterlassenen Risikooffenlegung gegenüber Investoren. Wer neue regulatorische Entwicklungen ignoriert oder zu spät reagiert, kann persönlich in Anspruch genommen werden.
Darauf sollten Geschäftsführer, Vorstände und Beiräte achten
- Risikomanagement regelmäßig aktualisieren
Geopolitik, Cyber, KI und ESG gehören heute standardmäßig in die Unternehmensrisikoanalyse. Ein „Update einmal pro Jahr“ reicht laut Allianz nicht mehr aus.
- Entscheidungen sauber dokumentieren
Gerade in Krisensituationen (z. B. Liquiditätsengpässen) ist nachvollziehbar festzuhalten, welche Optionen geprüft wurden, welche Informationen vorlagen, und warum man sich für einen bestimmten Weg entschieden hat.
- Spezialwissen im Gremium verankern
Expertise für Cyber/IT, KI und ESG sollte im Management-Team oder Aufsichtsrat ausdrücklich vorhanden sein – sei es intern oder durch externe Berater.
- D&O-Programm an internationale Strukturen anpassen
Unternehmen mit Auslandsstandorten sollten prüfen, ob lokale Policen oder ein multinationales D&O-Programm notwendig sind, um Anforderungen in verschiedenen Rechtsordnungen zu erfüllen.
Bestehende D&O-Deckung kritisch überprüfen
- Ist der Versicherungssumme angemessen, auch im Hinblick auf mögliche Sammelklagen und hohe Verteidigungskosten?
- Sind Cyber-, KI- und ESG-Bezüge nicht durch enge Ausschlüsse eingeschränkt?
- Sind Verteidigungskosten ab Erstanspruch mitversichert – unabhängig vom endgültigen Ausgang des Verfahrens?
Unser Tipp: D&O-Schutz rechtzeitig und vorausschauend gestalten
Wer heute ein Unternehmen führt, muss nicht „alles richtig machen“ – aber nachweisen können, dass sorgfältig, informiert und strukturiert entschieden wurde. Eine passende D&O-Versicherung ist dabei kein Luxus, sondern ein wichtiger Baustein persönlicher Risikovorsorge.
Gerade für Mittelstandsunternehmen gilt:
- Die Haftungsregeln unterscheiden nicht zwischen kleinem Familienunternehmen und internationalem Konzern.
- Der finanzielle Spielraum, um langwierige Verfahren aus eigener Tasche zu bestreiten, ist im Mittelstand jedoch oft deutlich geringer.
Eine individuelle Analyse der Organhaftungsrisiken und eine auf Ihr Geschäftsmodell abgestimmte D&O-Lösung helfen, unangenehme Überraschungen zu vermeiden.
Conclusio
Der Allianz-Report macht klar, dass die Haftungsrisiken für Organe steigen – nicht unbedingt in der Anzahl der Klagen, aber in deren Komplexität und Schadenshöhe. Vor allem Insolvenzen, geopolitische Verwerfungen, Cyber & KI sowie ESG-Themen sind Hauptelemente für Schadenfälle, und von Führungskräften wird erwartet, dass sie Risiken frühzeitig erkennen, offen kommunizieren und aktiv steuern.
Wer diese Entwicklungen ernst nimmt, sein Risikomanagement modernisiert und seine D&O-Deckung anpasst, schafft die Basis dafür, auch in stürmischen Zeiten handlungsfähig zu bleiben – ohne das eigene Privatvermögen aufs Spiel zu setzen.
Gerne unterstützen wir Sie dabei, für Ihr Unternehmen passende D&O- und ergänzende Versicherungslösungen zu gestalten – mehr dazu finden Sie unter https://www.hoeher.info/duo_unternehmen.
Quelle: Directors and officers (D&O) insurance insights 2026, Allianz Commercial, (Stand 04.12.2025).
Wiener Neustadt, 11.12.2025
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