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Die Berufshaftpflichtversicherung ist das Sicherheitsnetz für viele Selbstständige und Dienstleister – von Versicherungsvermittlern über Anwälte bis hin zu Finanzberatern. Doch was passiert im Schadensfall? Eine zentrale Rolle spielt dabei das sogenannte Versicherungsfallprinzip. Klingt abstrakt – ist aber entscheidend dafür, ob und wann ein Versicherer leistet. In diesem Beitrag erklären wir, was dahintersteckt und worauf Versicherungsnehmer achten sollten.

Was ist ein „Versicherungsfall“?

Ein Versicherungsfall liegt dann vor, wenn sich ein im Vertrag definiertes Risiko verwirklicht. Der Versicherer leistet also nur, wenn ein solcher Fall – auch „Trigger“ genannt – eintritt. Welches Ereignis konkret als Versicherungsfall gilt, hängt vom gewählten Versicherungsfallprinzip ab. Zwei Varianten sind dabei besonders relevant:

1. Verstoßprinzip (auch „Occurrence“ genannt)

Beim Verstoßprinzip zählt der Zeitpunkt des schädigenden Verhaltens – also wann der Fehler begangen wurde, unabhängig davon, wann der Schaden eintritt oder gemeldet wird.

Beispiel: Ein Versicherungsmakler berät seinen Kunden fehlerhaft beim Abschluss einer Gebäudeversicherung. Jahre später kommt es zu einem Brand – und die Deckung ist unzureichend. Versicherungsschutz besteht nur, wenn der Fehler (Verstoß) während der Laufzeit der Berufshaftpflicht begangen wurde.

Vorteil: Der Versicherungsnehmer kann sich auch Jahre nach Vertragsende noch auf den Schutz berufen – sofern der Fehler während der Vertragslaufzeit passiert ist.
Nachteil: Ohne ausreichend lange Nachdeckungsfristen besteht das Risiko, dass spätere Schäden nicht mehr gedeckt sind.

2. Claims-made-Prinzip

Hier ist entscheidend, wann der Anspruch gestellt wird – nicht wann der Fehler passierte. Der Versicherungsfall ist also die Geltendmachung des Anspruchs durch den Geschädigten.

Beispiel: Der gleiche Fall wie oben – aber bei einer Claims-made-Deckung muss der Schaden gemeldet werden, während der Versicherungsschutz besteht. Ist der Vertrag zu diesem Zeitpunkt abgelaufen, greift die Versicherung nicht, es sei denn, es wurde eine Nachmeldefrist vereinbart.

Vorteil: Klare zeitliche Abgrenzung der Haftung (unbegrenzte Vordeckung).
Nachteil: Ohne unbegrenzte Nachmeldefrist kann es zu Deckungslücken kommen.

Unterlassungsschäden – die stille Gefahr

Besonders tückisch sind sogenannte Unterlassungsschäden: Hier geht es nicht um aktives Fehlverhalten, sondern darum, dass eine gebotene Handlung unterlassen wurde (z. B. eine Versicherung nicht rechtzeitig beantragt). Der Verstoß gilt in solchen Fällen als an dem Tag begangen, an dem die Handlung spätestens hätte erfolgen müssen, um den Schaden zu verhindern.

Folge: Bei späten Schäden – etwa viele Jahre nach der versäumten Handlung – besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn der Vertrag zu diesem Zeitpunkt noch galt oder spezielle Nachdeckungsvereinbarungen getroffen wurden.

Was bedeutet das für Versicherungsnehmer?

  1. Nachdeckungsfristen prüfen:
    Eine zu kurze Nachmeldefrist kann bei Spätschäden zum Verlust des Versicherungsschutzes führen. Ideal: Eine unbegrenzte Nachmeldefrist.
  2. Versichererwechsel genau prüfen:
    Unterschiedliche Versicherungsfallprinzipien oder Deckungslücken können dazu führen, dass weder der alte noch der neue Versicherer leisten muss.
  3. Beratung einholen:
    Wer komplexe Risiken absichern muss – wie Versicherungsvermittler oder Anwälte – sollte auf eine spezialisierte Beratung setzen. Standardlösungen reichen oft nicht aus.

Fazit: Beide Prinzipien – wenn richtig gestaltet – bieten Schutz

Ob Verstoß- oder Claims-made-Prinzip: Beide Ansätze können solide Absicherung bieten – wenn sie fachgerecht angepasst werden. Wichtig ist, dass der Versicherungsschutz zeitlich lückenlos gestaltet ist und auch Unterlassungsschäden abdeckt. Nur so lässt sich das Risiko von Regressforderungen, Haftungsfällen oder unversicherten Spätschäden wirksam reduzieren.

Tipp für Versicherungsnehmer:
Lassen Sie Ihren bestehenden Versicherungsschutz regelmäßig überprüfen. Gerade bei langen Beratungszyklen – wie in der Finanz- und Versicherungsvermittlung – ist ein lückenloser, gut definierter Schutz unerlässlich.

Wiener Neustadt, 12.08.2025

Bildnachweis: envato

Das Versicherungsrecht ist eine komplexe Materie, insbesondere wenn es um die Abgrenzung und Bewertung der sogenannten wissentlichen Pflichtverletzung geht. Die wissentliche Pflichtverletzung stellt einen zentralen Begriff im Versicherungsrecht dar, vorwiegend in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte und ähnliche Berufsgruppen.

Diese Pflichtverletzung bezieht sich auf das bewusste Abweichen von gesetzlichen, vertraglichen oder beruflichen Verpflichtungen, was oftmals zu Schadensersatzforderungen führt.

Der folgende Artikel untersucht die rechtlichen Grundlagen, die Bedingungen und die praktischen Implikationen der wissentlichen Pflichtverletzung im Kontext der Haftpflichtversicherung. Problematisch und existenziell für die Deckung in der Haftpflichtversicherung wird es, wenn der vermeintlich Geschädigte die Schadenherbeiführung durch wissentliche Pflichtverletzung vorbringt.

Was das Gesetz sagt

Im österreichischen Recht ist der Begriff der wissentlichen Pflichtverletzung nicht explizit definiert, sondern wird durch die Interpretation der Gerichte und die Praxis bestimmt. Nach Art 4.I.3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVBV 1951) sowie Art B.7.1 der Besonderen Bedingungen bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche, die aus einer wissentlichen Pflichtverletzung resultieren.

Die versicherungsrechtliche und wirtschaftliche Bedeutung der wissentlichen Pflichtverletzung liegt darin, dass sie den Versicherungsschutz ausschließt. Dies schützt die Versichertengemeinschaft vor den Risiken, die aus bewusst rechtswidrigem Verhalten resultieren. Hier lesen Sie Beispiele für marktübliche Ausschlüsse in Versicherungsverbindung:

Artikel 4 Z 3 AVBV 1951
„wegen Schadenstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung;“

Artikel 4 Z 3 AVBV, Fassung 1999 iVm Art 7.1 Besondere Bedingungen zur Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung für Rechtsanwälte
„wegen Schadenstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung;“

„Art 4.1.3 AVBV wird ersetzt durch folgenden Wortlaut: Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Haftpflichtansprüche Dritter infolge wissentlichen Abweichens von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers.“

Artikel 8 Z 2.2 ABHV 2000 und EBHV 2000

„infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen für seine beruflichen Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften, sowie infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder dessen Bevollmächtigten oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.“

Artikel 8 Z 2.2 ABHV 2000 und EBHV 2000 idF 07/2012

„infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen für seine beruflichen Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften, sowie infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder dessen Bevollmächtigten oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.“

§ 4 Z 3 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung in Österreich, AVB-Ö-Ausgabe Jänner 2010

„wegen vorsätzlicher Schadensverursachung oder wegen Schäden durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.“

Artikel 8 Z 2.2 C_ABHV/EBHV

„infolge vorsätzlichen Zuwiderhandelns gegen für seine beruflichen Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften, sowie infolge vorsätzlichen Zuwiderhandelns gegen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder dessen Bevollmächtigten oder durch sonstige vorsätzliche Pflichtverletzung, soweit der schädigende Erfolg zumindest billigend in Kauf genommen wurde.“

Artikel 5 Z 2.1.2 AVB-A-Allgemein 2018-09

„infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen für seine beruflichen Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften, sowie infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder dessen Bevollmächtigten oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.“

Pkt 1.3.6.4 AVBV 2020

„Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schadenstiftung durch vorsätzliches Handeln (vgl. § 152 VersVG), wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Standesregeln oder Berufsausübungsnormen, Anweisung (Vorgaben) oder Bedingung des Machtgebers (Auftraggebers des Versicherungsnehmers) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung durch den Versicherungsnehmer, dessen Organe oder Repräsentanten oder Erfüllungsgehilfen.“

Voraussetzungen der wissentlichen Pflichtverletzung

Für die Annahme einer wissentlichen Pflichtverletzung genügt es, dass der Versicherungsnehmer seine Pflichtverletzung positiv gekannt hat und dass der Pflichtverstoß für den Schaden ursächlich war. Bedingter Vorsatz, also das bewusste Inkaufnehmen eines schädigenden Ereignisses, ist ausreichend. Es ist nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer die genauen Wortlaute der verletzten Vorschrift kannte; entscheidend ist das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Handlung.

Ein zentraler Punkt bei der Beurteilung einer wissentlichen Pflichtverletzung ist der Vorsatz. Dabei werden unterschiedliche Stufen des Vorsatzes unterschieden:

Direkter Vorsatz: Der Versicherungsnehmer handelt im Bewusstsein, dass sein Verhalten pflichtwidrig ist, und nimmt den Schaden billigend in Kauf.

Bedingter Vorsatz: Der Versicherungsnehmer erkennt die Möglichkeit eines Verstoßes und handelt dennoch. Schon diese Form des Vorsatzes genügt, um den Versicherungsschutz auszuschließen​.

Es ist nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer die genaue rechtliche Bedeutung seiner Handlung versteht. Es reicht aus, dass er sich der Rechtswidrigkeit seiner Handlung bewusst ist​.

Wer muss was beweisen?

Die Beweislast für das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung liegt beim Versicherer. Dieser muss nachweisen, dass der Versicherungsnehmer die Verletzung seiner Pflichten positiv gekannt hat. Indizienbeweise, wie der äußere Ablauf des Geschehens oder das Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes, können dabei herangezogen werden. So kann aus der Verletzung elementarer beruflicher Pflichten auf das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit geschlossen werden.

Bindung an Urteile: Was gilt im Haftungsprozess?

Wird in einem Haftungsprozess vom Anspruchsteller die wissentliche Pflichtverletzung bzw das Abweichen von Gesetzen oder Vorschriften vorgeworfen oder vom Gericht festgestellt, ist dies für die Entscheidung des Versicherers, ob Versicherungsschutz gegeben ist oder nicht, bindend, sodass sich der Versicherer auf den Deckungsausschluss berufen wird. Sollte festgestellt werden, dass keine wissentliche Pflichtverletzung vorlag, zum Beispiel durch Beschluss oder Urteil, hat der Versicherungsnehmer rückwirkend Anspruch auf Deckung. Bis zu diesem Zeitpunkt, muss der Versicherungsnehmer jedoch für alle Kosten aufkommen.

Vorwurf der Schadenherbeiführung durch wissentliche Pflichtverletzung und deren Rechtsfolgen

Wenn der vermeintlich Geschädigte dem Versicherungsnehmer vorwirft, Schaden durch wissentliche Pflichtverletzung oder sogar Vorsatz verursacht zu haben, muss die Beurteilung der Deckungsfrage auf dem geltend gemachten Anspruch und dem vom Geschädigten behaupteten Sachverhalt basieren. Dies gilt auch beim vorweggenommenen Deckungsprozess, wie vom OGH bestätigt wurde (OGH 24.04.2019, 7 Ob 142/18k).

Die wichtigste Konsequenz einer wissentlichen Pflichtverletzung ist der Verlust des Versicherungsschutzes. Das bedeutet, dass der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit wird. Dies ist eine Maßnahme, die sicherstellen soll, dass Versicherungsnehmer ihre vertraglichen Pflichten ernst nehmen und einhalten​.

Für Versicherungsnehmer kann dies bedeuten, dass sie im Schadensfall selbst für die entstandenen Kosten aufkommen müssen, was insbesondere bei hohen Vermögensschäden gravierende finanzielle Folgen haben kann.

Entlastung durch rechtmäßiges Alternativverhalten?

In bestimmten Fällen besteht für Versicherungsnehmer die Möglichkeit, sich zu entlasten, indem sie nachweisen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Diese sogenannte „rechtmäßige Alternativverhalten“-Klausel ist in speziellen Haftpflichtversicherungen, wie der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte, enthalten. Der Nachweis ist jedoch oft schwierig und erfordert eine umfassende Dokumentation sowie rechtliche Beratung.

Judikatur

In der Rechtsprechung finden sich zahlreiche Fälle, die die Konsequenzen einer wissentlichen Pflichtverletzung aufzeigen. Ein prominentes Beispiel ist ein Fall, in dem ein Anwalt eine Zahlung vornahm, ohne die rechtlichen Bedingungen ausreichend zu prüfen, obwohl ihm die Unregelmäßigkeiten bekannt waren. Die Gerichte entschieden, dass diese Pflichtverletzung wissentlich erfolgt war und der Versicherungsschutz entfiel​.

Auch in der Versicherungsvermittlung können wissentliche Pflichtverletzungen auftreten, z. B. wenn ein Vermittler vorsätzlich falsche oder unvollständige Informationen zu einem Produkt gibt, um eine Provision zu erzielen. In solchen Fällen kann der Versicherungsschutz verweigert werden, wenn ein Kunde aufgrund dieser Pflichtverletzung einen Schaden erleidet.

Hinweis: Ausgewählte Beispiele aus der Judikatur und Literatur finden Sie am Ende des Artikels.

So schützen Sie sich vor dem Deckungssausschuss

Um eine wissentliche Pflichtverletzung und deren Folgen zu vermeiden, sollten Versicherungsnehmer folgende Maßnahmen ergreifen.

Präventive Maßnahmen und Empfehlungen

  • Sorgfältige Dokumentation: Alle Handlungen und Entscheidungen sollten schriftlich festgehalten werden, um im Bedarfsfall nachweisen zu können, dass keine bewusste Pflichtverletzung vorlag.
  • Rechtsberatung einholen: Im Zweifelsfall sollte eine rechtliche Prüfung erfolgen, um sicherzustellen, dass alle Maßnahmen im Einklang mit den vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben stehen.
  • Regelmäßige Schulungen: Versicherungsnehmer sollten sich kontinuierlich über Änderungen in relevanten Gesetzen und Versicherungsbedingungen informieren.
  • Interne Kontrollen: Ein System zur Überprüfung der Einhaltung aller Pflichten kann helfen, wissentliche Pflichtverletzungen zu verhindern.

Bewusstsein schützt vor bösem Erwachen: Conclusio und Empfehlungen

Die wissentliche Pflichtverletzung ist ein zentraler Begriff im Haftpflichtversicherungsrecht, der dazu dient, die Grenzen des Versicherungsschutzes klar zu definieren und Versicherer vor vorsätzlich oder bewusst fahrlässigem Verhalten zu schützen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Praxis zeigen, dass eine differenzierte Betrachtung der Umstände und der Beweisführung notwendig ist, um eine wissentliche Pflichtverletzung festzustellen. Die juristische Praxis bietet dabei zahlreiche Beispiele, die die Bedeutung und die Anwendung dieses Begriffs verdeutlichen. Schon der Vorwurf einer Pflichtverletzung kann zum Verlust der Versicherungsdeckung führen, und so zu einem finanziellen Problem für den Versicherungsnehmer werden.

Ein umsichtiges Vertragsmanagement und die Einhaltung aller Obliegenheiten schützen nicht nur den Versicherungsschutz, sondern bewahren den Versicherungsnehmer vor finanziellen und rechtlichen Nachteilen.

OGH 24.04.2019, 7 Ob 142/18k

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20190424_OGH0002_0070OB00142_18K0000_000/JJT_20190424_OGH0002_0070OB00142_18K0000_000.html

OGH 19.2.2020, 7 Ob 161/19f

https://ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20200219_OGH0002_0070OB00161_19F0000_000/JJT_20200219_OGH0002_0070OB00161_19F0000_000.html

OGH 19.2.2020, 7 Ob 70/19y

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20200424_OGH0002_0070OB00206_19Y0000_000/JJT_20200424_OGH0002_0070OB00206_19Y0000_000.html

OGH 27.1.2021, 7 Ob 148/20w,

https://ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20210127_OGH0002_0070OB00148_20W0000_000/JJT_20210127_OGH0002_0070OB00148_20W0000_000.html

flOGH 5.5.2023, 09 CG.2021-299, PSR 2023/51

OGH 27.9.2023, 7 Ob 96/23b

https://ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20230927_OGH0002_0070OB00096_23B0000_000/JJT_20230927_OGH0002_0070OB00096_23B0000_000.html

Fachverband der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten, Versicherungsrechts-NEWS 11/2019, https://www.wko.at/oe/information-consulting/versicherungsmakler-schlichtungsstellen/versicherungsrechts-news-11-2019.pdf (Stand 08.07.2024), 8

Grubmann, VersVG9 III.2.9.4 Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung für RA Allgemeine Bedingungen für die Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung für Rechtsanwälte (Stand 1.7.2022, rdb.at)

Grubmann, VersVG9 III.2.9.2 AVBV Allgemeine Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschaden1) (Stand 1.7.2022, rdb.at)

OGH, Vorweggenommener Deckungsprozess in der Haftpflichtversicherung, https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/vorweggenommener-deckungsprozess-in-der-haftpflichtversicherung/ (Stand 08.07.2024)

Michtner, Bewusstes Zuwiderhandeln gegen behördliche Vorschriften und wissentliche Pflichtverletzung – durchsetzbare Risikoausschlüsse in der Haftpflichtversicherung?, versdb print 2024 H 13ff

VKI, Haftpflichtversicherung: vorweggenommener Deckungsprozess, https://verbraucherrecht.at/urteil-haftpflichtversicherung-vorweggenommener-deckungsprozess/4234?id=49&tx_ttnews%5Btt_news%5D=4418&cHash=X (Stand 08.07.2024).

Reisinger, Salficky, Haftpflichtversicherung: Trennungsprinzip, vorweggenommener Deckungsprozess, ZVers 2019, H 5, 265ff

Kriwanek, Tuma, Haftpflichtversicherung: Vorweggenommener Deckungsprozess, RdW 2019, H 8, 533ff

Vonkilch, Das Vorbringen des geschädigten Dritten im vorweggenommen Deckungsprozess, ZVers 2023 H 2, 46ff

 

Wiener Neustadt, 15.07.2025

Bildnachweis: envato

Am 06.01.2016 fällte das Landesgericht Wiener Neustadt ein Urteil (Geschäftszahl: 20 Cg 17/15h-18), das die Haftung eines Vermögensberaters bei der Empfehlung von Fremdwährungskrediten behandelte. Das Urteil zeigt, dass eine ausführliche und nachvollziehbare Beratungsdokumentation entscheidend sein kann, um im Streitfall erfolgreich zu sein. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der Berater seinen Aufklärungs- und Dokumentationspflichten nachgekommen war und ob die Ansprüche der Kläger bereits verjährt waren.

Inhalt der Klage

Die Kläger, ein Ehepaar ohne umfassende finanzielle Vorkenntnisse, forderten die Feststellung, dass der Beklagte für alle aus einer empfohlenen Finanzierungskonstruktion entstandenen Schäden haftet. Die Konstruktion beinhaltete Fremdwährungskredite in Schweizer Franken und Tilgungsträger in Form von Lebensversicherungen. Die Kläger argumentierten, sie seien nicht ausreichend über Risiken wie Wechselkurs- und Tilgungsträgerrisiken informiert worden und hätten sich auf die Beratung des Beklagten verlassen.

Vorbringen der Parteien

Klägerseite: Die Kläger machten geltend, dass die Risiken der empfohlenen Finanzierungsmodelle weder umfassend erklärt noch verständlich dargelegt worden seien. Sie hätten die Risiken nicht vollständig erkannt und die Kreditverträge im Vertrauen auf die Beratung des Beklagten unterzeichnet.

Beklagtenseite: Der Beklagte führte aus, dass er die Kläger sowohl schriftlich als auch mündlich ausreichend über die Risiken informiert habe. Zudem wies er darauf hin, dass die Ansprüche der Kläger bereits verjährt seien, da diese spätestens 2010 von den negativen Entwicklungen Kenntnis erlangt hätten.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Erstgericht wies die Klage ab, da keine Beratungsfehler nachgewiesen werden konnten. Die Beratungsunterlagen des Beklagten wurden als ausreichend und verständlich bewertet. Zudem stellte das Gericht fest, dass die Ansprüche verjährt waren, da die Kläger spätestens 2010 die negativen Entwicklungen erkannt haben mussten.

Entscheidung des LG Wiener Neustadt

Das Gericht urteilte, dass die Aufklärung des Beklagten über die Risiken hinreichend war. Es wurde festgestellt, dass die Kläger die Risiken verstanden und durch Unterzeichnung der Beratungsdokumente bestätigt hatten. Das Gericht argumentierte ferner, dass die Ansprüche der Kläger spätestens seit 2011 verjährt waren, da ihnen zu diesem Zeitpunkt die negativen Entwicklungen der Finanzierung bewusst waren.

Das Gericht betonte in seiner Begründung mehrere zentrale Aspekte:

Individuelle Beratungspflichten:

Der Umfang der Beratung hängt maßgeblich von der finanziellen Erfahrung und den individuellen Bedürfnissen der Kunden ab. Bei risikoreichen Produkten ist eine vollständige und verständliche Aufklärung unverzichtbar.

Ausführliche Dokumentation der Beratung:

Ein entscheidender Punkt für die Abweisung der Klage war die detaillierte Dokumentation der Beratungsinhalte. Der Beklagte hatte die Risiken des Finanzierungsmodells, einschließlich der Schwankungen bei Fremdwährungskrediten und Tilgungsträgern, ausführlich und schriftlich dargelegt. Die Unterzeichnung der Beratungsdokumente durch die Kläger wurde als Beweis dafür gewertet, dass sie die Informationen zur Kenntnis genommen und verstanden hatten.

Verjährung der Ansprüche:

Laut § 1489 ABGB beginnt die Verjährungsfrist, sobald der Geschädigte den Schaden und den Verantwortlichen kennt. Das Gericht stellte fest, dass die Kläger spätestens 2010 über die problematischen Entwicklungen informiert waren. Die Verjährung der Ansprüche wurde daher als gegeben angesehen.

Keine Beratungsfehler:

Das Gericht stellte klar, dass die negativen Entwicklungen der Finanzierungsmodelle auf bekannten Risiken beruhten, die den Klägern offengelegt worden waren. Der Beklagte habe keine Zusicherungen gemacht, die über die Risiken hinwegtäuschten.

Mitverschulden der Kläger:

Das Gericht betonte, dass die Kläger selbst eine Pflicht zur sorgfältigen Prüfung der Unterlagen hatten. Ein leichtfertiges Unterzeichnen der Dokumente könne nicht allein dem Berater angelastet werden.

Beweiswürdigung des Gerichts zu den Zeugenaussagen

Das Gericht stützte seine Beweiswürdigung auf die schriftlichen Dokumente und nahm eine umfassende Analyse der Zuverlässigkeit von mündlichen Aussagen vor. Es stellte fest, dass menschliche Erinnerungen insbesondere in lang andauernden und belastenden Situationen unzuverlässig werden können.

Der erkennende Richter führte aus, dass menschliche Erinnerungen nach so langer Zeit – in diesem Fall neun Jahre seit den streitgegenständlichen Gesprächen – durch wiederholtes Nachdenken und Besprechen unweigerlich verfälscht werden können. Menschen tendieren in solchen Situationen dazu, sich an das zu erinnern, was sie als günstig oder wünschenswert empfinden. Dies sei jedoch nicht als böse Absicht zu verstehen, sondern als unbewusster Prozess, der durch die emotionale Belastung und den Wunsch nach einem bestimmten Prozessergebnis verstärkt werde.

Das Gericht betonte ausdrücklich, dass diese Dynamik für beide Parteien gleichermaßen gelte. Es sei deshalb weder lebensnah noch glaubwürdig, wenn eine der Parteien behauptete, sich noch exakt an alle Details der mündlichen Gespräche erinnern zu können. Insbesondere Aussagen, die von einer Seite über das Fehlen oder die exakte Vermittlung bestimmter Inhalte gemacht wurden, bewertete das Gericht kritisch und zog sie nicht als entscheidungsrelevante Beweise heran.

Die einzige verlässliche Grundlage für die Beurteilung der Sachlage sah das Gericht in den schriftlich dokumentierten Beweisen. Die Kläger hatten auf Urkunden schriftlich bestätigt, die dort dokumentierten Risikohinweise zur Kenntnis genommen und verstanden zu haben. Das Gericht befand, dass diese Dokumente klar und verständlich formuliert waren. Der Beklagte habe durch diese „selbstgestrickten“ Aufklärungsbögen seine Beratungspflichten erfüllt, indem er Risiken wie Wechselkursverluste, Zinsänderungen und die Volatilität von Tilgungsträgern nachvollziehbar und übersichtlich darlegte.

Die schriftlichen Bestätigungen wurden als starkes Indiz dafür gewertet, dass die Kläger über die relevanten Risiken aufgeklärt worden waren. Das Gericht hielt außerdem fest, dass die Finanzprodukte keine übermäßige Komplexität aufwiesen und von Personen mit durchschnittlicher Bildung und Begabung verstanden werden konnten. Die Kläger hätten zudem wiederholt Mitteilungen des Beklagten erhalten, in denen die aktuellen Verluste detailliert aufgeführt wurden. Dies zeigte aus Sicht des Gerichts, dass die Kläger spätestens 2010 die Risiken des Finanzierungsmodells hätten erkennen können.

Abschließend unterstrich das Gericht, dass es nicht glaubwürdig gewesen wäre, wenn die Parteien versucht hätten, einen vollständigen und genauen Verlauf der Gespräche zu rekonstruieren. Aufgrund dieser Erwägungen stützte sich das Gericht primär auf die dokumentierten Nachweise und sah die Beratungsleistung des Beklagten als hinreichend an.

Zusammenfassung und Praxistipps

Das Urteil verdeutlicht, dass eine transparente und dokumentierte Beratung sowohl für Berater als auch für Kunden von entscheidender Bedeutung ist. Eine sorgfältige Dokumentation schützt Berater vor Haftungsansprüchen und hilft Kunden, fundierte Entscheidungen zu treffen.

Für Berater und Vermittler: Stellen Sie sicher, dass alle Risiken verständlich dokumentiert und von den Kunden bestätigt werden. Nutzen Sie klar strukturierte Beratungsprotokolle und bewahren Sie Nachweise der Aufklärung auf.

Für Kunden: Lesen Sie Beratungsunterlagen aufmerksam, klären Sie offene Fragen und holen Sie im Zweifel eine Zweitmeinung ein. Bewahren Sie alle relevanten Dokumente auf, um im Streitfall abgesichert zu sein.

Das Urteil wurde nicht im Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes nicht veröffentlicht.

Wiener Neustadt, 07.05.2025

Bildnachweis: envato

Mit der Entscheidung 7 Ob 136/22h vom 25.01.2023 hat der Oberste Gerichtshof (OGH) klargestellt, dass ein Wiederholungstäterausschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Vertrauensschadenversicherung wirksam und rechtskräftig sein kann, selbst wenn die AGB nicht vom Versicherer selbst stammen. Dies wirft wichtige Fragen zur Auslegung und rechtlichen Einordnung solcher Vertragsklauseln auf.

Inhalt der Klage

Der Kläger, der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Österreich, hatte zugunsten seiner Mitglieder einen Vertrag über eine Vertrauensschadenversicherung mit den beiden Beklagten abgeschlossen. Ziel war es, Deckungslücken der gesetzlichen Pflichthaftpflichtversicherung in Fällen vorsätzlicher Schädigung zu schließen.

Ein Mitglied des Klägers, die Hausverwaltung einer GmbH, verursachte durch ihren Geschäftsführer einen Vermögensschaden, indem dieser anvertraute Verwaltungsguthaben missbrauchte. Der Kläger forderte von den Versicherern die Zahlung von 182 429 Euro, stieß jedoch auf Ablehnung. Die Beklagten beriefen sich auf den vertraglich vereinbarten Wiederholungstäterausschluss.

Vorbringen der Parteien

Kläger: Der Kläger argumentierte, dass der Schaden unter den Versicherungsschutz falle, da weder er noch die Hausverwaltung von den „Malversationen“ des Geschäftsführers gewusst hätten. Zudem sei der Wiederholungstäterausschluss unwirksam, da er gegen § 34a Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) verstoße. Der Kläger sah den Vertrag nicht nur zugunsten seiner Mitglieder, sondern auch zugunsten der geschädigten Eigentümergemeinschaften abgeschlossen.

Beklagte: Die Beklagten wandten ein, dass der Ausschluss ausdrücklich im Vertrag geregelt und wirksam sei. Sie wiesen darauf hin, dass der Kläger die Versicherung einzig im Interesse seiner Mitglieder abgeschlossen habe und diese somit die einzigen versicherten Parteien seien. Außerdem sei der Wiederholungstäterausschluss durch die Maklerin des Klägers in die Vertragsgestaltung eingebracht worden, weshalb Unklarheiten zu Lasten des Klägers gingen.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Erstgericht wies die Klage des Klägers ab. Es entschied, dass der Wiederholungstäterausschluss gemäß § 914 Allgemeine Gesetzbuch (ABGB) nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen sei. Da der Versicherungsvertrag eine Versicherung zugunsten der Mitglieder des Klägers darstellte, seien weder eigene Interessen des Klägers noch jene der geschädigten Dritten mitversichert. Zudem müsse das Wissen des Geschäftsführers der Hausverwaltung dieser selbst zugerechnet werden, weshalb der Risikoausschluss greife.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und entschied zugunsten des Klägers. Es argumentierte, dass der Wiederholungstäterausschluss nicht greife, da das Wissen des Geschäftsführers aufgrund einer Interessenkollision der Hausverwaltung nicht zugerechnet werden könne. Außerdem sei der Vertrag so auszulegen, dass die geschädigten Eigentümergemeinschaften als versicherte Personen anzusehen seien.

Entscheidung des OGH

Der OGH entschied zugunsten der Beklagten und stellte das Urteil des Erstgerichts, das die Klage abgewiesen hatte, wieder her. Die wesentlichen Begründungen lauteten:

Herkunft der AGB und individuelle Ausgestaltung 

Die AGB wurden von der Versicherungsmaklerin des Klägers erstellt und in die Verhandlungen eingebracht. Da den Beklagten Änderungsmöglichkeiten eingeräumt wurden, handelte es sich um einen individuell ausgehandelten Vertrag. Somit fanden die strengen Klauselkontrollmechanismen des § 915 ABGB keine Anwendung.

Wirksamkeit des Wiederholungstäterausschlusses 

Der Wiederholungstäterausschluss wurde als Risikoausschluss gewertet, da er den Versicherungsschutz von vornherein begrenzte. Diese Begrenzung sei weder von den Handlungen des Versicherungsnehmers abhängig noch unklar formuliert. Der OGH hob hervor, dass solche Risikoausschlüsse den Schutz des Versicherers legitim und rechtlich wirksam eingrenzen.

Zurechnung von Wissen 

Das Wissen des Geschäftsführers der geschädigten Hausverwaltung über seine eigenen Handlungen wurde dieser zugerechnet. Diese Zurechnung führte dazu, dass die Versicherer leistungsfrei waren.

Zusammenfassung und Praxistipp

Die Entscheidung des OGH verdeutlicht, dass AGB, die nicht vom Versicherer, sondern vom Versicherungsnehmer oder dessen Makler eingebracht werden, rechtlich als individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen betrachtet werden können. In solchen Fällen greift die Klauselkontrolle gemäß § 915 ABGB nicht. Diese Vorgehensweise birgt jedoch Risiken für den Versicherungsnehmer, da Unklarheiten zulasten des Verwenders gehen.

Praxistipp: Versicherungsnehmer und Versicherungsvermittler sollten sicherstellen, dass von ihnen eingebrachte AGB von einem spezialisierten Rechtsanwalt geprüft werden. Dies gilt besonders bei komplexen Verträgen wie Versicherungsverträgen. Eine fundierte rechtliche Prüfung kann potenzielle Streitigkeiten vermeiden und sicherstellen, dass die Vertragsbedingungen klar und wirksam sind.

Das Urteil im Volltext finden Sie hier: OGH 7 Ob 136/22h.

Wiener Neustadt, 07.01.2025

Bildnachweis: envato

Das wirtschaftliche Umfeld befindet sich in ständiger Veränderung, und die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen haben viele Unternehmen in Schwierigkeiten gebracht. Insolvenzen erfassen dabei nicht nur das betroffene Unternehmen selbst, sondern auch Investoren, Kunden und Lieferanten. Besonders kritisch wird es, wenn ein ganzer Sektor wie die Immobilienwirtschaft ins Wanken gerät oder sogar Unternehmen aus eigentlich stabilen Branchen wie Versicherungen in die Insolvenz geraten.

In solchen turbulenten Zeiten stellen sich für Berater und Vermittler viele Fragen: Wie können sie ihre Kunden bestmöglich schützen? Wie vermeiden sie Haftungsrisiken? In Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer Österreich, dem Fachverband Finanzdienstleister und der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei BRANDL TALOS Rechtsanwält:innen GmbH beleuchtete die Höher Insurance Services GmbH die aktuellen Entwicklungen und gaben in einem Webinar den zahlreichen Teilnehmern die wichtigsten Tipps für Ihre Beratungspraxis.

Unternehmen in der Krise: Was Berater beachten müssen

Die Insolvenzen in der Wirtschaftswelt haben direkte Auswirkungen auf die Beratungspraxis. Vor allem bei Immobilienunternehmen oder Versicherungsunternehmen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, müssen Berater wissen, wie sie sich richtig verhalten. Dabei stellen sich Fragen wie:

  • Welche Aufklärungspflichten haben Berater in Bezug auf mögliche Insolvenzen von Unternehmen?
  • Wie umfangreich muss die Aufklärung sein, wenn sich ein Unternehmen bereits in Konkursnähe befindet?
  • Müssen Vermittler ihre Kunden über einen tatsächlich eingetretenen Konkurs informieren?

Eine transparente und klare Kommunikation ist in diesen Fällen unerlässlich, um das Vertrauen der Kunden zu bewahren und potenzielle Haftungsrisiken zu vermeiden.

Die wichtigsten Dos & Don’ts in der Kundenberatung

Es ist essenziell, dass Berater ihren Kunden ein realistisches Bild der Risiken vermitteln, und dies bereits zum Zeitpunkt der Beratung/Vermittlung. Eine unzureichende Risikoaufklärung kann schnell zu Haftungsansprüchen führen. Hier sind einige wichtige Dos & Don’ts, die in der Beratungspraxis unbedingt beachtet werden sollten:

Don’ts: Was unbedingt vermieden werden sollte

  • Keine Verharmlosung des Risikos: Sätze wie „Das ist zu 100 % sicher“ sind tabu.
  • Keine Beschwichtigungen: Risiken als „seltene Extremfälle“ herunterzuspielen, ist gefährlich und unseriös.

Dos: Was Berater unbedingt tun sollten

  • Aufklärung über Totalverlustrisiko: Kunden müssen über mögliche Totalverluste informiert werden.
  • Produktbezogene Risikoaufklärung: Marktrisiken, Liquiditätsrisiken und andere spezifische Risiken müssen klar dargelegt werden.
  • Klare und präzise Dokumentation der Beratung: Eine umfassende Dokumentation schützt nicht nur den Kunden, sondern auch den Berater vor späteren Haftungsansprüchen.

Transparente Beratung schützt vor Haftung

Eine präzise und umfassende Risikoaufklärung ist der Schlüssel, um sich als Berater vor Haftungsfällen zu schützen. Eine transparente und gut dokumentierte Beratung ist dabei ebenso wichtig wie eine klare Darstellung der möglichen Insolvenz- und Totalverlustrisiken. Versicherungsmakler sind darüber hinaus verpflichtet, ihre Kunden auch nach Vertragsabschluss laufend über die Solvenz des Produktanbieters aufzuklären.

Wichtig: Beschwichtigungsversuche sollten unbedingt vermieden werden, denn sie können dazu führen, dass die Verjährung von möglichen Haftungsansprüchen hinausgeschoben wird. Bei bereits verjährten Sachverhalten könnte sogar die Einrede der Arglist ins Spiel kommen.

Kundenberatung in der Krise: Was Berater wissen sollten!

Die Einhaltung der gewerberechtlichen Rahmenbedingungen ist in der Krise besonders wichtig. Die zentralen Fragen sind:

  • Was erlaubt das Gewerberecht dem Berater oder Vermittler?
  • Welche Verhaltensweisen sind unbedingt zu vermeiden?
  • Welche Voraussetzungen führen zu einer Schadenersatzpflicht des Beraters oder Vermittlers?

Wie schütze ich mich als Berater vor Haftung?

Die folgenden Maßnahmen sind entscheidend, um sich als Berater vor Haftungsansprüchen zu schützen:

  • Kenntnis der gewerberechtlichen Rahmenbedingungen: Ein fundiertes Wissen über die rechtlichen Vorgaben ist unverzichtbar.
  • Prüfen Sie die Berechtigung des Anbieters: Nutzen Sie beispielsweise die FMA-Unternehmensdatenbank, um sicherzustellen, dass der Versicherer oder Fondsanbieter in Österreich entsprechend berechtigt ist.
  • Einhaltung der vorvertraglichen Pflichten: Eine klare Offenlegung der eigenen Tätigkeit schafft Vertrauen und minimiert Risiken.
  • Anwendung der Wohlverhaltensregeln: bei der Vermittlung von Veranlagungen sollten der Angemessenheitstest und der Eignungstest Anwendung finden.
  • Rechtskonforme Dokumentation der Beratungsgespräche: Das „Know Your Customer“-Prinzip sollte konsequent umgesetzt werden.

Die Bedeutung der Berufshaftpflichtversicherung

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Absicherung über eine Berufshaftpflichtversicherung. Hierbei sollten Berater insbesondere die Risikoausschlussgründe und Obliegenheiten kennen und im Schadenfall das richtige Verhalten an den Tag legen.

Zusammengefasst: Eine transparente, gut dokumentierte Beratung, fundierte Kenntnisse der rechtlichen Rahmenbedingungen und eine umfassende Risikoaufklärung sind der Schlüssel, um Kunden bestmöglich durch Krisenzeiten zu begleiten und sich selbst vor Haftungsfällen zu schützen.

Hinweis in eigener Sache: Die Höher Akademie veranstaltet regelmäßig Weiterbildungsveranstaltungen mit dem Ziel der Haftungsreduktion. Jetzt aktuelle Termine durchsehen: https://www.hoeher.info/akademie/termine/

Bild: Envato

Wiener Neustadt, 09. Oktober 2024

Eine Klarstellung der gesetzlichen Interessenvertretung der Immobilientreuhänder (Wirtschaftskammer) zum Tätigkeitsumfang von Immobilienmaklern hat ergeben, dass nach deren Auffassung Immobilienmakler neben „Immobilienfonds“ – so der gesetzliche unpräzise Wortlaut – auch Veranlagungen in Bauherrenmodelle, (geschlossene) Immobilienfonds sowie Vorsorgewohnungen vermitteln dürfen. Dies wiederum macht eine Überprüfung der Berufshaftpflichtversicherung erforderlich, da diese (Pflichtversicherung) nun auch Veranlagungen und die damit verbundenen erheblichen Pflichten (zB detaillierte Aufklärung über die sogenannten „Weichkosten“ [siehe ua OGH 6 Ob 118/16w], Angemessenheitsprüfung, Beratungsprotokolle, Risikoanalyse etc.) – decken muss.

Die Versicherungspflicht gemäß § 117 Abs 7 GewO 1994 sieht vor, dass Immobilienmakler (§ 94 Z 35 GewO 1994) für ihre Berufstätigkeit eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abschließen müssen. Gemäß den besonderen Vorschriften der §§ 158b ff VersVG führt eine etwaige Leistungsfreiheit im Vertrag dazu, dass ein Versicherer dem Geschädigten einen „nicht versicherten Schaden“ bezahlten muss und der Versicherer dann zum vollen Regress gegenüber dem Versicherungsnehmer berechtigt ist. Dies kann zu massiven finanziellen Auswirkungen führen, bis hin zur Insolvenz des Versicherungsnehmers/Schädigers und Vernichtung dessen wirtschaftlicher Existenz.

Um über einen den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Versicherungsschutz zu verfügen, und einen etwaigen Regress des Versicherers zu vermeiden, sollten Immobilienmakler bei ihrem Haftpflichtversicherer anfragen, ob vom Versicherungsumfang auch die Beratung und Vermittlung von Veranlagungen in Bauherrenmodelle, Vorsorgewohnungen sowie die Vermittlung von Beteiligungen an (geschlossenen) Immobilienfonds (§ 117 Abs 2 Z 4 GewO 1994) umfasst ist und welche besonderen Obliegenheiten für deren Vermittlung bestehen. Wird diese Deckung nicht bestätigt, liegt offenbar kein Versicherungsschutz gemäß den gesetzlichen Vorgaben vor!

Wir haben unser Deckungskonzept mit der Allianz Global Corporate & Specialty SE (für welche wir als Abschlussagentin tätig sind) überarbeitet und den Versicherungsschutz entsprechend angepasst, sodass über uns versicherte Immobilientreuhänder über einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Versicherungsschutz verfügen. Nähere Informationen dazu finden Sie auf unserer Webseite. Dort finden Sie auch einen Prämienrechner zur Berechnung der Versicherungsprämie für Immobilientreuhänder.

Wiener Neustadt, am 20.08.2020

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