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Mit der Entscheidung 7 Ob 136/22h vom 25.01.2023 hat der Oberste Gerichtshof (OGH) klargestellt, dass ein Wiederholungstäterausschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Vertrauensschadenversicherung wirksam und rechtskräftig sein kann, selbst wenn die AGB nicht vom Versicherer selbst stammen. Dies wirft wichtige Fragen zur Auslegung und rechtlichen Einordnung solcher Vertragsklauseln auf.

Inhalt der Klage

Der Kläger, der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Österreich, hatte zugunsten seiner Mitglieder einen Vertrag über eine Vertrauensschadenversicherung mit den beiden Beklagten abgeschlossen. Ziel war es, Deckungslücken der gesetzlichen Pflichthaftpflichtversicherung in Fällen vorsätzlicher Schädigung zu schließen.

Ein Mitglied des Klägers, die Hausverwaltung einer GmbH, verursachte durch ihren Geschäftsführer einen Vermögensschaden, indem dieser anvertraute Verwaltungsguthaben missbrauchte. Der Kläger forderte von den Versicherern die Zahlung von 182 429 Euro, stieß jedoch auf Ablehnung. Die Beklagten beriefen sich auf den vertraglich vereinbarten Wiederholungstäterausschluss.

Vorbringen der Parteien

Kläger: Der Kläger argumentierte, dass der Schaden unter den Versicherungsschutz falle, da weder er noch die Hausverwaltung von den „Malversationen“ des Geschäftsführers gewusst hätten. Zudem sei der Wiederholungstäterausschluss unwirksam, da er gegen § 34a Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) verstoße. Der Kläger sah den Vertrag nicht nur zugunsten seiner Mitglieder, sondern auch zugunsten der geschädigten Eigentümergemeinschaften abgeschlossen.

Beklagte: Die Beklagten wandten ein, dass der Ausschluss ausdrücklich im Vertrag geregelt und wirksam sei. Sie wiesen darauf hin, dass der Kläger die Versicherung einzig im Interesse seiner Mitglieder abgeschlossen habe und diese somit die einzigen versicherten Parteien seien. Außerdem sei der Wiederholungstäterausschluss durch die Maklerin des Klägers in die Vertragsgestaltung eingebracht worden, weshalb Unklarheiten zu Lasten des Klägers gingen.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Erstgericht wies die Klage des Klägers ab. Es entschied, dass der Wiederholungstäterausschluss gemäß § 914 Allgemeine Gesetzbuch (ABGB) nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen sei. Da der Versicherungsvertrag eine Versicherung zugunsten der Mitglieder des Klägers darstellte, seien weder eigene Interessen des Klägers noch jene der geschädigten Dritten mitversichert. Zudem müsse das Wissen des Geschäftsführers der Hausverwaltung dieser selbst zugerechnet werden, weshalb der Risikoausschluss greife.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und entschied zugunsten des Klägers. Es argumentierte, dass der Wiederholungstäterausschluss nicht greife, da das Wissen des Geschäftsführers aufgrund einer Interessenkollision der Hausverwaltung nicht zugerechnet werden könne. Außerdem sei der Vertrag so auszulegen, dass die geschädigten Eigentümergemeinschaften als versicherte Personen anzusehen seien.

Entscheidung des OGH

Der OGH entschied zugunsten der Beklagten und stellte das Urteil des Erstgerichts, das die Klage abgewiesen hatte, wieder her. Die wesentlichen Begründungen lauteten:

Herkunft der AGB und individuelle Ausgestaltung 

Die AGB wurden von der Versicherungsmaklerin des Klägers erstellt und in die Verhandlungen eingebracht. Da den Beklagten Änderungsmöglichkeiten eingeräumt wurden, handelte es sich um einen individuell ausgehandelten Vertrag. Somit fanden die strengen Klauselkontrollmechanismen des § 915 ABGB keine Anwendung.

Wirksamkeit des Wiederholungstäterausschlusses 

Der Wiederholungstäterausschluss wurde als Risikoausschluss gewertet, da er den Versicherungsschutz von vornherein begrenzte. Diese Begrenzung sei weder von den Handlungen des Versicherungsnehmers abhängig noch unklar formuliert. Der OGH hob hervor, dass solche Risikoausschlüsse den Schutz des Versicherers legitim und rechtlich wirksam eingrenzen.

Zurechnung von Wissen 

Das Wissen des Geschäftsführers der geschädigten Hausverwaltung über seine eigenen Handlungen wurde dieser zugerechnet. Diese Zurechnung führte dazu, dass die Versicherer leistungsfrei waren.

Zusammenfassung und Praxistipp

Die Entscheidung des OGH verdeutlicht, dass AGB, die nicht vom Versicherer, sondern vom Versicherungsnehmer oder dessen Makler eingebracht werden, rechtlich als individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen betrachtet werden können. In solchen Fällen greift die Klauselkontrolle gemäß § 915 ABGB nicht. Diese Vorgehensweise birgt jedoch Risiken für den Versicherungsnehmer, da Unklarheiten zulasten des Verwenders gehen.

Praxistipp: Versicherungsnehmer und Versicherungsvermittler sollten sicherstellen, dass von ihnen eingebrachte AGB von einem spezialisierten Rechtsanwalt geprüft werden. Dies gilt besonders bei komplexen Verträgen wie Versicherungsverträgen. Eine fundierte rechtliche Prüfung kann potenzielle Streitigkeiten vermeiden und sicherstellen, dass die Vertragsbedingungen klar und wirksam sind.

Das Urteil im Volltext finden Sie hier: OGH 7 Ob 136/22h.

Wiener Neustadt, 07.01.2025

Bildnachweis: envato

Das wirtschaftliche Umfeld befindet sich in ständiger Veränderung, und die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen haben viele Unternehmen in Schwierigkeiten gebracht. Insolvenzen erfassen dabei nicht nur das betroffene Unternehmen selbst, sondern auch Investoren, Kunden und Lieferanten. Besonders kritisch wird es, wenn ein ganzer Sektor wie die Immobilienwirtschaft ins Wanken gerät oder sogar Unternehmen aus eigentlich stabilen Branchen wie Versicherungen in die Insolvenz geraten.

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Unternehmen in der Krise: Was Berater beachten müssen

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Die wichtigsten Dos & Don’ts in der Kundenberatung

Es ist essenziell, dass Berater ihren Kunden ein realistisches Bild der Risiken vermitteln, und dies bereits zum Zeitpunkt der Beratung/Vermittlung. Eine unzureichende Risikoaufklärung kann schnell zu Haftungsansprüchen führen. Hier sind einige wichtige Dos & Don’ts, die in der Beratungspraxis unbedingt beachtet werden sollten:

Don’ts: Was unbedingt vermieden werden sollte

  • Keine Verharmlosung des Risikos: Sätze wie „Das ist zu 100 % sicher“ sind tabu.
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Dos: Was Berater unbedingt tun sollten

  • Aufklärung über Totalverlustrisiko: Kunden müssen über mögliche Totalverluste informiert werden.
  • Produktbezogene Risikoaufklärung: Marktrisiken, Liquiditätsrisiken und andere spezifische Risiken müssen klar dargelegt werden.
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Transparente Beratung schützt vor Haftung

Eine präzise und umfassende Risikoaufklärung ist der Schlüssel, um sich als Berater vor Haftungsfällen zu schützen. Eine transparente und gut dokumentierte Beratung ist dabei ebenso wichtig wie eine klare Darstellung der möglichen Insolvenz- und Totalverlustrisiken. Versicherungsmakler sind darüber hinaus verpflichtet, ihre Kunden auch nach Vertragsabschluss laufend über die Solvenz des Produktanbieters aufzuklären.

Wichtig: Beschwichtigungsversuche sollten unbedingt vermieden werden, denn sie können dazu führen, dass die Verjährung von möglichen Haftungsansprüchen hinausgeschoben wird. Bei bereits verjährten Sachverhalten könnte sogar die Einrede der Arglist ins Spiel kommen.

Kundenberatung in der Krise: Was Berater wissen sollten!

Die Einhaltung der gewerberechtlichen Rahmenbedingungen ist in der Krise besonders wichtig. Die zentralen Fragen sind:

  • Was erlaubt das Gewerberecht dem Berater oder Vermittler?
  • Welche Verhaltensweisen sind unbedingt zu vermeiden?
  • Welche Voraussetzungen führen zu einer Schadenersatzpflicht des Beraters oder Vermittlers?

Wie schütze ich mich als Berater vor Haftung?

Die folgenden Maßnahmen sind entscheidend, um sich als Berater vor Haftungsansprüchen zu schützen:

  • Kenntnis der gewerberechtlichen Rahmenbedingungen: Ein fundiertes Wissen über die rechtlichen Vorgaben ist unverzichtbar.
  • Prüfen Sie die Berechtigung des Anbieters: Nutzen Sie beispielsweise die FMA-Unternehmensdatenbank, um sicherzustellen, dass der Versicherer oder Fondsanbieter in Österreich entsprechend berechtigt ist.
  • Einhaltung der vorvertraglichen Pflichten: Eine klare Offenlegung der eigenen Tätigkeit schafft Vertrauen und minimiert Risiken.
  • Anwendung der Wohlverhaltensregeln: bei der Vermittlung von Veranlagungen sollten der Angemessenheitstest und der Eignungstest Anwendung finden.
  • Rechtskonforme Dokumentation der Beratungsgespräche: Das „Know Your Customer“-Prinzip sollte konsequent umgesetzt werden.

Die Bedeutung der Berufshaftpflichtversicherung

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Absicherung über eine Berufshaftpflichtversicherung. Hierbei sollten Berater insbesondere die Risikoausschlussgründe und Obliegenheiten kennen und im Schadenfall das richtige Verhalten an den Tag legen.

Zusammengefasst: Eine transparente, gut dokumentierte Beratung, fundierte Kenntnisse der rechtlichen Rahmenbedingungen und eine umfassende Risikoaufklärung sind der Schlüssel, um Kunden bestmöglich durch Krisenzeiten zu begleiten und sich selbst vor Haftungsfällen zu schützen.

Hinweis in eigener Sache: Die Höher Akademie veranstaltet regelmäßig Weiterbildungsveranstaltungen mit dem Ziel der Haftungsreduktion. Jetzt aktuelle Termine durchsehen: https://www.hoeher.info/akademie/termine/

Bild: Envato

Wiener Neustadt, 09. Oktober 2024

Eine Klarstellung der gesetzlichen Interessenvertretung der Immobilientreuhänder (Wirtschaftskammer) zum Tätigkeitsumfang von Immobilienmaklern hat ergeben, dass nach deren Auffassung Immobilienmakler neben „Immobilienfonds“ – so der gesetzliche unpräzise Wortlaut – auch Veranlagungen in Bauherrenmodelle, (geschlossene) Immobilienfonds sowie Vorsorgewohnungen vermitteln dürfen. Dies wiederum macht eine Überprüfung der Berufshaftpflichtversicherung erforderlich, da diese (Pflichtversicherung) nun auch Veranlagungen und die damit verbundenen erheblichen Pflichten (zB detaillierte Aufklärung über die sogenannten „Weichkosten“ [siehe ua OGH 6 Ob 118/16w], Angemessenheitsprüfung, Beratungsprotokolle, Risikoanalyse etc.) – decken muss.

Die Versicherungspflicht gemäß § 117 Abs 7 GewO 1994 sieht vor, dass Immobilienmakler (§ 94 Z 35 GewO 1994) für ihre Berufstätigkeit eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abschließen müssen. Gemäß den besonderen Vorschriften der §§ 158b ff VersVG führt eine etwaige Leistungsfreiheit im Vertrag dazu, dass ein Versicherer dem Geschädigten einen „nicht versicherten Schaden“ bezahlten muss und der Versicherer dann zum vollen Regress gegenüber dem Versicherungsnehmer berechtigt ist. Dies kann zu massiven finanziellen Auswirkungen führen, bis hin zur Insolvenz des Versicherungsnehmers/Schädigers und Vernichtung dessen wirtschaftlicher Existenz.

Um über einen den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Versicherungsschutz zu verfügen, und einen etwaigen Regress des Versicherers zu vermeiden, sollten Immobilienmakler bei ihrem Haftpflichtversicherer anfragen, ob vom Versicherungsumfang auch die Beratung und Vermittlung von Veranlagungen in Bauherrenmodelle, Vorsorgewohnungen sowie die Vermittlung von Beteiligungen an (geschlossenen) Immobilienfonds (§ 117 Abs 2 Z 4 GewO 1994) umfasst ist und welche besonderen Obliegenheiten für deren Vermittlung bestehen. Wird diese Deckung nicht bestätigt, liegt offenbar kein Versicherungsschutz gemäß den gesetzlichen Vorgaben vor!

Wir haben unser Deckungskonzept mit der Allianz Global Corporate & Specialty SE (für welche wir als Abschlussagentin tätig sind) überarbeitet und den Versicherungsschutz entsprechend angepasst, sodass über uns versicherte Immobilientreuhänder über einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Versicherungsschutz verfügen. Nähere Informationen dazu finden Sie auf unserer Webseite. Dort finden Sie auch einen Prämienrechner zur Berechnung der Versicherungsprämie für Immobilientreuhänder.

Wiener Neustadt, am 20.08.2020

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